Herr Professor Thüsing, angenommen, Sie wären Unter-
nehmer und müssten sich ab 2019 mit dem neuen Gesetz
zum Teilzeitrecht auseinandersetzen. Welche Regelungen
würden Ihnen da am ehesten Bauchschmerzen bereiten?
Gregor Thüsing: Vielleicht würde ich mich als Unternehmer
vor allem deswegen über das Gesetz insgesamt ärgern, weil es
neue Regulierungen im Bereich des Arbeitsverhältnisses enthält
– und Deutschland nicht gerade arm an solchen Regulierungen
ist. So mag man als Unternehmer denken. Das Ziel des Gesetzes
ist es jedoch nicht, Unternehmern das Leben zu erleichtern,
sondern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.
Dieses gesamtgesellschaftliche Anliegen zu fördern, ist eine all-
gemeine Aufgabe des Arbeitsrechts und es ist gut, wenn man hier
vorankommt. Die Probleme liegen jedoch in der Anwendung. Wir
haben hier ein Gesetz, das dem bisherigen Teilzeitanspruch – der
ja unbefristet ist – nachgebildet ist, aber im Einzelnen dann doch
davon abweicht und Fragen aufwirft. Schwierig ist zum Beispiel
die Berechnung, wann überhaupt ein Anspruch auf Brücken-
teilzeit besteht. Schwierig ist aber auch, dass Arbeitgeber, die
um eine vernünftige Personalpolitik bemüht sind, vom Gesetz
in der jetzigen Fassung benachteiligt werden. Nicht zuletzt er-
öffnet der Entwurf auch Raum für recht abstruse Fälle. Möchte
beispielsweise ein Arbeitnehmer im folgenden Jahr zu seinem
40. Geburtstag frei haben, so kann er über die Brückenteilzeit
seine Jahresarbeitszeit um acht Stunden reduzieren. Im Hinblick
auf die Lage der Arbeitszeit kann er zudem vorgeben, dass alles
so bleiben soll, wie es ist – nur an seinem Geburtstag möchte er
eben nicht arbeiten. Das klingt zunächst seltsam, wäre jedoch
von der Systematik gedeckt, die dieser befristete Teilzeitan-
spruch hat. Das heißt aber auch: Dieser Anspruch ist auch ein
Instrument zur Beeinflussung der Lage der Arbeitszeit und nicht
alleine des Volumens. Ob das jedoch vom Gesetzgeber so gewollt
ist, muss man hinterfragen. Es gibt keine Mindestreduzierung,
die durch diesen Gesetzgebungsentwurf vorgeschrieben wäre.
Kommen wir erneut auf die von Ihnen angesprochenen
Berechnungsprobleme: Prinzipiell besteht ein Anspruch
auf Brückenteilzeit, wenn ein Arbeitgeber in der Regel ins-
gesamt mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei 46 bis
200 Arbeitnehmern kann der Arbeitgeber das Begehren
nach Brückenteilzeit ablehnen, wenn bereits eine – je nach
Mitarbeiterzahl – festgelegte Anzahl den Anspruch wahrge-
nommen hat. Wo genau sehen Sie hier die Schwierigkeiten?
Im Gesetzentwurf gibt es eine Anknüpfung an die Regelarbeit-
nehmerzahl. Dies kann jedoch zu Schwierigkeiten bei der Be-
rechnung und Ermittlung führen. Gerade bei Leiharbeitnehmern
zum Beispiel kann sich die Frage ergeben, welcher Arbeitnehmer
nun „in der Regel“ beschäftigt ist und welcher temporär? Welche
Noch diskutiert der Bundestag über einen Gesetzentwurf,
ab Januar 2019 jedoch könnte das neue Gesetz zur
Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und Einführung der
Brückenteilzeit bereits gelten. Damit soll einerseits der
Anspruch auf einen Wechsel von Voll- auf Teilzeit
für einen begrenzten Zeitraum bestehen. Zusätzlich soll
die Rückkehr für momentan unbefristet in Teilzeit
Beschäftigte in eine Vollzeitbeschäftigung erleichtert
werden. Was von diesem Gesetzesvorhaben arbeits
rechtlich zu halten ist, erklärt Professor Gregor Thüsing
von der Universität Bonn.
Interview Michael Miller, Fotos Thekla Ehling
Teilzeitrecht
79