personalmagazin 10/2018 - page 81

unlösbare Probleme. Ich glaube, das BAG wird zu sinnvollen Lö-
sungen kommen. Natürlich kann zunächst jedoch eine gewisse
Rechtsunsicherheit zu einer Verunsicherung führen.
Was wäre Ihre Lösung auf diese trickreichen Fragen?
Dass zum Beispiel während der Teilzeit eben auch nur Teilzeit-
urlaub erworben werden kann und dieser wieder entsprechend
umgerechnet werden muss auf den Vollzeitanspruch. Das be-
deutet: Wenn ich ein halbes Jahr nur halbtags arbeite, erwerbe
ich auch nur die Hälfte des Urlaubsanspruchs, auch wenn ich
danach wieder auf Vollzeit wechsle. Für das Urlaubsentgelt gilt
das dann entsprechend.
Neben der Brückenteilzeit geht es in demneuen Gesetz auch
darum, dass dauerhaft in Teilzeit Beschäftigte einfacher ihre
Arbeitszeit verlängern können. Hierbei ist Unternehmern
die nun erweiterte Darlegungs- und Beweislast ein Dorn
im Auge. Sehen Sie diese Beweislastumkehr auch kritisch?
Naja, eventuell ist das ein Floh, den ich – wenn auch nicht
allein – dem Gesetzgeber ins Ohr gesetzt habe, und zwar als
Vorsitzender der Kommission zur Erstellung des achten Fami-
lienberichts der Bundesregierung. Darin haben wir bereits 2011
dezidiert gefordert, was der Gesetzgeber nun aufnimmt. Die
Wirtschaft setzt hier große Fragezeichen, weil sie sieht, dass
dieser Gegenbeweis oft schwer zu erbringen ist. Jedenfalls ist ein
gewisser Aufwand erforderlich, wenn der Arbeitgeber jetzt dar-
legen muss, dass demWunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit
nicht Rechnung getragen werden kann. Ich halte das für eine
Hürde, die sicherlich ernst zu nehmen ist, aber – insbesondere,
wenn es aus einer Familienverpflichtung heraus zur Teilzeit
kam – für eine letztlich hinnehmbare Belastung.
Wie können Arbeitgeber konkret beweisen, dass ein freier,
entsprechender Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht?
Konkret müsste man wohl den Arbeitsplatz, den der Arbeit-
nehmer innehat, beschreiben und deutlich machen: Wir haben
einen Stellenplan und hierin ist kein freier Arbeitsplatz vorhan-
den, der diesen Anforderungen entspricht. Denn der Arbeitgeber
bleibt ja darin frei, die Anforderungen für die freien Arbeitsplätze
zu formulieren. Er muss sich jedoch die Mühe machen, diese
Anforderungen tatsächlich zu formulieren. Zudem ist er im Fall
einer Besetzung auch daran gebunden. Er kann also nicht den
Wunsch nach Verlängerung deshalb ablehnen, weil er für den
freien Vollzeitarbeitsplatz einen Mitarbeiter braucht, der gut
Englisch sprechen kann, wenn er dann zwei Monate später je-
manden einstellt, der kein Wort englisch spricht. Insofern zwingt
die Neuerung zu einem transparenten Verfahren.
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang befristet
besetzte Arbeitsplätze oder solche für Leiharbeitnehmer?
Ich glaube, es bleibt weiterhin eine freie Organisationsent-
scheidung des Arbeitgebers, ob er eine Arbeitsstelle selbst be-
setzen will oder längerfristig zum Beispiel Leiharbeitnehmer
vorgesehen sind. Daher meine ich auch, dass die neue Beweis-
lastregelung hier keine Beeinträchtigungen bringen wird.
Neu ist auch das sogenannte Erörterungsrecht beimWunsch
des Arbeitnehmers, die Dauer oder Lage der vertraglich ver-
einbarten Arbeitszeit zu ändern. Was hat es damit auf sich?
Meines Erachtens ist dieses neue – vorgeschaltete – Erörte-
rungsrecht sinnvoll, weil es auf Dialog setzt, der sonst vielleicht
grundlos verwehrt würde. Schlimmstenfalls müsste sich der
Arbeitgeber einmal Zeit nehmen, um sein „Nein“ zu begründen.
Das sollte er jedoch ohnehin. Ich glaube auch, dass die Lage
der Arbeitszeit der Punkt ist, auf den viele Unternehmen stär-
ker achten müssen. Denn oft wird es dem Arbeitnehmer nicht
zwingend auf eine Reduzierung des Volumens – die ja auch mit
einer Reduzierung der Vergütung verbunden ist – ankommen.
Ihm wird vielmehr wichtig sein, dass er seine außerberuflichen
zeitlichen Verpflichtungen mit denen des Berufs in Einklang
bringen kann. Das wird oft schon durch eine verlässliche Lage
der Arbeitszeit ermöglicht, die dann eben nicht zu einem gemin-
derten Familieneinkommen führt. Und deswegen ist eine solche
Änderung zwar auch wieder mit Aufwand für das Unternehmen
verbunden, aber letztlich doch ein minimal-invasiverer Eingriff
in die Vertragsfreiheit.
Apropos minimaler Eingriff: Wird es Ihres Erachtens noch
wesentliche Nachbesserungen am Gesetzentwurf geben?
Momentan muss man sagen: Bis hierher war es bereits ein
schwieriger Weg, schließlich gab es ja schon in der vergangenen
Legislaturperiode einen Entwurf zu diesem Thema. Der eine
oder andere mag damals nicht unglücklich gewesen sein, dass
dieser gescheitert ist. Jetzt hat sich das Kabinett auf einen neu-
en Entwurf geeinigt, weitere Änderungen dürften da nur schwer
unterzubringen sein. Ähnlich wie beim Tarifeinheitsgesetz
möchte man vermutlich einzelne Teile nicht erneut angehen,
um das Gesetz insgesamt nicht zu gefährden.
Prof. Dr. Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeits-
recht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn,
ist ein viel gefragter Experte, tritt häufig als Sachverständiger
in Bundestagsausschüssen auf und zählt seit Jahren zu den
vom Personalmagazin gekürten führenden 40 Köpfen in HR.
Teilzeitrecht
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