personalmagazin 10/2018 - page 84

Besteht ein ausschusspflichtiger Be­
trieb, so tritt nicht selten der zweite Feh­
ler auf: Es werden Beschlüsse gefasst,
die nicht ausdrücklich den Aufgaben der
Ausschüsse entsprechen. Diese Aufgaben
müssen wiederum durch ordnungsgemä­
ßen Beschluss des Gesamtgremiums den
konkreten Ausschüssen zur eigenstän­
digen Bearbeitung zugewiesen werden.
Ausschussbeschlüsse, die nicht ausdrück­
lich vorab definierten den Aufgaben ent­
sprechen, sind nichtig.
Der Anwesenheitsfehler
Auch wenn mittlerweile aus der Unter­
nehmenswelt virtuelle Teambespre­
chungen und per Mausklick durch­
führbare Abstimmungsprozesse nicht
mehr wegzudenken sind: Beschlüsse
des Betriebsrats sind unwirksam, wenn
bei der Abstimmung nicht alle Betei­
ligten körperlich anwesend sind. Dabei
kommt es weder auf die Frage an, ob es
sich thematisch um eine „Kleinigkeit“
handelt, noch spielt die Eilbedürftigkeit
eine Rolle.
Der Zählfehler
Auch das kommt immer wieder vor:
Stimmenthaltungen werden falsch inter­
pretiert. Dabei ist das Gesetz hier eindeu­
tig. Beschlüsse benötigen ein positives
Überwiegen der Jastimmen. Enthaltun­
gen sind daher rechtlich irrelevant und
im Ergebnis wie Neinstimmen zu be­
trachten. Zu beachten ist darüber hinaus
stets, ob es sich um eine Angelegenheit
handelt, bei der – über den Normalfall
der einfachen Mehrheit der anwesenden
Betriebsratsmitglieder hinaus – eine qua­
lifizierte Mehrheit des Gremiums gefor­
dert wird.
Der Befangenheitsfehler
Auch wenn es im Betriebsverfassungs­
gesetz nicht explizit beschrieben wird:
Ein Betriebsratsmitglied, das von einem
Beschluss in seinem Arbeitsverhältnis in­
dividuell und unmittelbar betroffen ist,
darf an der Beratung und Beschlussfas­
sung dieses Tagesordnungspunkts nicht
teilnehmen (BAG vom 10.11.2009, Az. 1
ABR 64/08). Beachtet man dies, kann sich
allerdings ein weiterer Nichtigkeitsgrund
anschließen. Da es sich hier um einen Fall
der rechtlichen Verhinderung handelt,
Beispiel aus der Praxis:
Arbeitnehmer rügt unwirksamen Beschluss
Auch im Streit mit einem Arbeitnehmer kann es Schwierig-
keiten geben, wenn kein ordnungsgemäßer Beschluss des Be-
triebsrats zu einer Einzelmaßnahme vorgelegen hat. Dazu ein
Beispiel: Ein Abteilungsleiter muss wegen dringender Repara-
turarbeiten zwei Überstunden anordnen und spricht deswegen
den Betriebsratsvorsitzenden an. Dieser greift zum Smartphone
und holt innerhalb von wenigen Minuten über Whatsapp die
Zustimmung sämtlicher Betriebsratsmitglieder ein. Daraufhin
weist der Abteilungsleiter einen Mitarbeiter an, entsprechende
Überstunden zu leisten. Der Arbeitnehmer ist laut Arbeitsvertrag
als Betriebsschlosser sogar verpflichtet, bei Notfällen in diesem
Umfang Überstunden zu leisten. Dennoch kommt er der Anwei-
sung nicht nach und wird daher abgemahnt. Im Zusammenhang
mit einem späteren Kündigungsschutzprozess kommt es auf die
Wirksamkeit dieser Abmahnung an.
Der Einwand des Arbeitnehmers, die Zustimmung des Be-
triebsrats sei unwirksam, ist zunächst unbeachtlich. Nach der
Rechtsprechung des BAG darf der Arbeitgeber prinzipiell auf die
Wirksamkeit einer ihm zugegangenen Zustimmungserklärung
vertrauen. Unwirksame Beschlüsse können jedoch immer dann
Probleme auf individualrechtlicher Ebene bereiten, wenn die Un-
wirksamkeit offensichtlich war und der Arbeitgeber Kenntnis
davon hatte. Daher endet auch der Prozess im Beispiel für den
Arbeitgeber überraschend: Obwohl die Anordnung der Überstun-
den individualrechtlich wirksam war, kann sich der Arbeitnehmer
auf den – auch für den Arbeitgeber offensichtlichen – Mangel im
kollektiven Mitbestimmungsrecht berufen.
THOMAS MUSCHIOL ist Rechtsanwalt
im Arbeits- und betrieblichen
Sozialversicherungsrecht in Freiburg.
ist dann zwingend ein Ersatzmitglied zu
bestellen. Dieses muss dann – nur für den
entsprechenden Tagesordnungspunkt –
quasi eingewechselt werden.
Der JAV-Fehler
Zum Ende der Fehlerliste sei noch ein
in der Praxis weitgehend unbekannter
Nichtigkeitsgrund genannt: Nach § 67
Abs. 2 BetrVG hat die Jugend- und Aus­
zubildendenvertretung (JAV) bei Be­
triebsratssitzungen ein Stimmrecht – so­
weit es um eine Angelegenheit geht, die
überwiegend die Interessen der Jugend­
lichen und Auszubildenden betrifft.
Durch § 33 Abs. 2 BetrVG wird zudem
klargestellt, dass damit die JAV bei Fest­
stellung der Stimmenmehrheit mitzu­
zählen ist.
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