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ORGANISATION
_CHANGE MANAGEMENT
personalmagazin 04/18
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
und Identifikation. Resignative Trägheit
(2) zeigt an, wie stark das Arbeitsklima
von Enttäuschung, Gleichgültigkeit oder
Frustration geprägt ist. In Unternehmen
mit hoher korrosiver Energie (3) herrscht
zwar ein hohes Energiepotenzial, die
mobilisierte Energie wird allerdings in
destruktive Aktivitäten investiert, etwa
Mikropolitik, interne Kämpfe und Spe-
kulationen. Die produktive Energie (4)
stellt schließlich den wünschenswerten
Energiezustand dar, der sich in einem
hohen Maß an Engagement für gemein-
same Ziele äußert.
Allgemeines Wohlbefinden,
aber teilweise auch Trägheit
Die Ergebnisse der SBB-Management-
befragung vom Jahr 2014 zeigten, dass
sich die positiven Energiewerte allge-
mein auf hohem Niveau befanden. Ins-
besondere die angenehme Energie, also
das Wohlbefinden, war durchweg hoch
ausgeprägt. Ein differenzierterer Blick
offenbarte jedoch auch, dass der Ener-
gielevel entlang der Managementstufen
absank, was sich bei den Führungs-
kräften der unteren Ebene besonders
deutlich zeigte. So waren bei diesen die
Energiewerte für die produktive Energie
deutlich geringer, während die Werte
für resignative Trägheit stärker ausge-
prägt waren, ein Hinweis auf Frustrati-
on in der Belegschaft. Dasselbe galt für
die korrosive Energie.
Die Konzernleitung debattierte in Zer-
matt zwei Tage lang intensiv über diese
Befragungsergebnisse. Heraus kam der
Dreiklang „Kunde – Fokus – Energie“
als Kompass für den gewünschten Ver-
änderungsprozess. Der Dreiklang um-
fasste folgende Ziele: Erstens sollte die
produktive Energie auf allen Manage-
mentebenen und bei den Mitarbeitenden
mobilisiert und auf die Schlüsselthe-
men fokussiert werden. Zweitens sollte
die negative Energie abgebaut werden
– durch Vereinfachung der Prozesse,
klare Regelung der Zuständigkeiten und
verstärkte übergreifende Zusammen-
arbeit. Drittens schließlich sollte eine
inspirierende Leadership-Kultur ent-
wickelt werden, zumal bis dahin eher
zahlenorientiert und mitunter technisch
geführt wurde. Diese Führungskultur
war aus der langen Historie der SBB als
staatsnahes Unternehmen gewachsen.
Um alle Mitarbeitenden für das Ziel
2016 zu gewinnen und so die Kun-
dinnen und Kunden in den Mittelpunkt
zu rücken, galt es, die Führung um
eine inspirierende, energetisierende
Komponente zu ergänzen. Die Füh-
rungsliteratur spricht hier auch von
transformationaler Führung.
Transaktionale Führung und
transformationale Führung
Zusammengefasst als „New Leader-
ship School“ stellt die Kombination aus
transaktionaler und transformationaler
Führung die bis heute effektivste be-
kannte Art der Führung dar. Die trans-
aktionale Führung ist ein rein rationaler
Führungsstil und basiert auf dem Aus-
tauschprinzip Aufgabenerfüllung gegen
Belohnung beziehungsweise Bestrafung.
Transaktionale Führung wird in vielen
Unternehmen durch Zielvereinbarungs-,
Leistungsbeurteilungs- und Bezahlungs-
systeme umgesetzt. Sie sollte nicht zu do-
minant werden, da sonst Begeisterung,
Eigeninitiative und Interesse an der Sa-
che zurückgehen.
Mehr Gewicht sollte stattdessen der
transformationalen Führung zukommen.
Dieser auch als inspirierende Führung
bezeichnete Führungsstil beinhaltet,
dass Mitarbeitende auch emotional an-
gesprochen und motiviert werden. Im
Die SBB setzte bei der
Transformation auf den
Dreiklang „Kunde – Fo-
kus – Energie“. Dabei war
jeder der drei Begriffe mit
konkreten Inhalten und Zie-
len verbunden. Der Kunde
stand bewusst an erster
Stelle. Die Kundenausrich-
tung mit dem Ziel, 2016 zu
den Schweizer Topunter-
nehmen bei der Kundenzu-
friedenheit zu zählen, war
zentrale Prämisse.
INHALTE VON „KUNDE – FOKUS – ENERGIE“
Kunde
Fokus
Energie
Um das Kundenziel 2016 greifbarer
zu machen, wurden die Kundenbe-
dürfnisse auf zwei Stufen bewertet
und nach dem Muster einer Py-
ramide in das Fundament „Basis-
faktoren“ und die Spitze „Begeis-
terungsfaktoren“ eingeteilt. Unter
Basisfaktoren versteht man die Leis-
tungen, welche der Kunde erwartet
(sichere, saubere und pünktliche
Leistungserbringung zu einem fairen
Preis). Unter Begeisterungsfaktoren
versteht man alles, was Haltung und
Verhalten der Mitarbeiter gegenüber
den Kunden betrifft und teils die
Kundenerwartungen übersteigt. Es
wurde ein Index zur Messung der
Kundenzufriedenheit entwickelt und
mittels Befragung von jeweils mehr
als 30.000 Kunden berechnet.
Hier geht es um eine Fokussierung
der Führung auf das Spannungsfeld
zwischen Kundenzufriedenheit und
Ergebnis beziehungsweise Finan-
zierung. Alle Mitarbeiter sollten
verstehen, dass Kunden nicht nur
über günstige Angebote gewonnen
werden, sondern auch durch exzel-
lente Basisleistungen und Kundenzu-
friedenheit. Zufriedene Kunden sind
eher bereit, für SBB-Leistungen zu
zahlen und leisten so einen entschei-
denden Beitrag zum Ergebnis und zur
langfristigen Finanzierung – Stichwort
„wertvolle SBB“. Nach tiefgreifen-
den Sanierungen 2012 und einer
Gesundung 2013 ging es nun darum,
die SBB zu einem Unternehmen zu
entwickeln, das nachhaltig wertvoll
für Mitarbeiter und Kunden ist.
Den dritten Pfeiler beim Transfor-
mationsprozess bildet die Energie.
Nachdem die Konzernleitung mit
dem Thema organisationale Energie
und den Ergebnissen der Manage-
mentbefragung bereits in Zermatt
erfolgreich gearbeitet hatte, folgten
Divisions- und Konzernbereichs-
workshops. Dabei wurden die Ener-
gieprofile der jeweiligen Divisionen
und Konzernbereiche vorgestellt
und diskutiert. Erst auf dieser Basis
wurden Maßnahmen entwickelt.
Darüber hinaus wurden auch
regelmäßige Standortchecks der
organisationalen Energie via Mit-
arbeiterbefragung geplant, um die
Fortschritte und das Commitment
der Belegschaft für die umfassende
Transformation zu messen.