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08/17 personalmagazin
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THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwer-
punkt Arbeits- und Sozialver-
sicherungsrecht in Freiburg.
fehler: Der Wahlvorstand in einigen Be-
trieben hat Leiharbeitnehmer nicht oder
nicht ausreichend bei der Bestimmung
der Betriebsgröße berücksichtigt und
das, obwohl das Bundesarbeitsgericht
noch im Jahre 2013 entschieden hatte,
dass Zeitarbeitnehmer dann zu berück-
sichtigen sind, wenn diese „regelmäßig“
eingesetzt werden.
Beim Blick auf den eingangs geschil-
derten Fall zeigt sich: Auch an dieser
Stelle könnte der Wahlvorstand recht
bekommen, wenn er darlegt, dass es zu
regelmäßigen Vergaben von Aufträgen
an Leiharbeitnehmer gekommen ist
– und auch in Zukunft kommen wird.
Auf die Frage, ob die Leiharbeitnehmer
selbst den Betriebsrat mitwählen dürfen,
kommt es hier nicht an.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der
Einsatz von jeweils sehr kurzfristigen
Leiharbeitnehmerverhältnissen – selbst
wenn der Schwellenwert durch die
Stammbelegschaft selbst offensichtlich
nicht erreicht wird – dazu führt, dass die
nächste Schwelle erreicht wird, sich die
Gremiumsgröße erhöht und die Grenze
zur Freistellung eines Betriebsrats über-
schritten wird.
In der Praxis wird daher beim Zu-
ordnungsstreit von Leiharbeitnehmern
insbesondere die Frage der „Regelmä-
ßigkeit“ im Vordergrund stehen.
Knackpunkt 5:
Zählen Fremdfirmenbeschäftigte mit?
Mitarbeiter, die für andere Unternehmen
im Betrieb Dienstleistungen, Reparatu-
ren oder andere Aufträge durchführen,
werden anders als Leiharbeitnehmer
zunächst nicht als Betriebsangehörige
im Sinne einer Betriebsgrößenfeststel-
lung angesehen. Das kann sich aber
dann ändern, wenn die Vorschrift des
§ 611a BGB greift (siehe Kasten zu
Betriebsrat) und die Eingliederung ei-
nes Fremdfirmenbeschäftigten diesen
zum Arbeitnehmer des Einsatzbetriebs
macht. Diese Folge kann zum einen der
betreffende Beschäftigte selbst rekla-
mieren und seinen Arbeitnehmerstatus
einklagen. Im Rahmen der Betriebsgrö-
ßenfeststellung kann es aber auch der
Wahlvorstand sein, der einen Werkver-
tragsbeschäftigten hinzuzählt.
Auch mit dieser Begründung könnte
in unserem Streitfall der Wahlvorstand
recht bekommen, wenn er darlegen
kann, dass sich an bestimmten Arbeits-
plätzen regelmäßig Fremdfirmenbe-
schäftigte aufhalten, die zwar in keiner
vertraglichen Beziehung zum Unterneh-
men stehen, aufgrund ihrer faktischen
Ausgestaltung aber als Beschäftigte des
Betriebs im Sinne der Betriebsverfas-
sung zu gelten haben.
Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer
einschließlich Leiharbeitnehmern und gegebe-
nenfalls Mitarbeitern von Fremdfirmen
Rechtsgrundlage
Ab fünf Mitarbeitern
Wahl eines Betriebsrats (§ 1 BetrVG)
Ab 21* Mitarbeitern
• Mitbestimmung bei Versetzung, Einstellung und Ein-
gruppierung (§ 99 BetrVG)
• Vierteljährige Unterrichtung durch den Arbeitgeber
über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens
(mündlich reicht) (§§ 110 BetrVG)
• Unterrichtung über Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG)
Ab 101* Mitarbeitern
Wirtschaftsausschuss zwingend (§ 106 Abs 1 BetrVG)
Ab 201 Mitarbeitern
Bildung eines Betriebsausschusses (§§ 9,27 BetrVG)
Ab 501 Mitarbeitern
Betriebsrat kann Auswahlrichtlinien verlangen (§ 95 Abs
2 BetrVG)
Ab 1.001 Mitarbeitern
Schriftliche Unterrichtung durch den Arbeitgeber über
die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens (§ 110
Abs 2 BetrVG)
SCHWELLENWERTE
Hinweis: In einigen Fällen wird
nicht die Betriebsgröße, sondern
die Unternehmensgröße als Zähl-
maßstab zugrunde gelegt. Diese
sind mit einem * gekennzeichnet.
Außerhalb der Bestimmung der
Gremiumsgröße gibt es noch
andere Bereiche, bei denen die
Betriebsgröße über die Reich-
weite betriebsverfassungsrecht-
licher Pflichten des Arbeitgebers
entscheidet.