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RECHT
_BETRIEBSRATSWAHL
personalmagazin 08/17
durch weniger, aber vollzeitbeschäftigte
Arbeitnehmer erbracht wird.
Im Eingangsfall bedeutet dies: Der
Wahlvorstand dürfte recht bekommen,
wenn er darlegen kann, dass auf der
Arbeitnehmerliste Mitarbeiter fehlen,
die zu anderen Zeiten „regelmäßig“ als
Aushilfskräfte eingesetzt werden. Umge-
kehrt könnte der Arbeitgeber kontern,
dass Aushilfskräfte, die sich auf seiner
aktuellen Liste befinden, aufgrund einer
außergewöhnlichen Situation eingestellt
wurden und damit nicht als „regelmäßig
Beschäftigte“ einzuordnen sind.
Das Gleiche gilt für gekündigte Mit-
arbeiter. Hier kommt es darauf an, ob
der Arbeitsplatz wieder besetzt werden
soll. Wenn ja, so ändert dies nichts an
der Betrachtung, dass es sich um einen
„regelmäßigen“ Mitarbeiter handelt. Das
Ausscheiden dieser Mitarbeiter kann
aber dann zu einer Minderung der Be-
triebsgröße führen, wenn es als Indiz
oder Beweis angeführt wird, dass sich
die regelmäßige Betriebsgröße künftig
ändern wird. Zu diesem Ergebnis wird
man häufig bei betriebsbedingten Kün-
digungen kommen.
Knackpunkt 3:
Nicht jeder, der leitet, ist Leitender
Geradezu der Klassiker unter den Streit-
punkten bei der Betriebsgrößenzuord-
nung sind fehlerhafte Zuordnungen von
Arbeitnehmern als „Leitende Angestell-
te“. Zu beachten ist, dass sich diese Ein-
stufung allein aus der gesetzlichen Defi-
nition des Betriebsverfassungsgesetzes
(§ 5 Abs. 3 BetrVG) ergibt. Hier gibt es
verschiedene Varianten, bei denen der
Status eines leitenden Angestellten an-
genommen wird.
Das Wichtigste ist: Ob der Mitarbeiter
intern oder sogar arbeitsvertraglich als
leitender Angestellter bezeichnet wird,
ist nicht von Bedeutung. Der Wahlvor-
stand hat insoweit sogar die Pflicht zur
jeweiligen Prüfung im Einzelfall und
darf sich nicht mit einer Auflistung der
leitenden Angestellten durch den Arbeit-
geber zufrieden geben. Schmerzhafte
Erfahrung mit diesem Grundsatz hat-
te zum Beispiel der Automobilkonzern
Daimler-Benz gemacht, dessen pauscha-
le und vom früheren Betriebsrat sowie
dem Wahlausschuss akzeptierte Zuord-
nung einer gesamten Führungsebene
zur Gruppe der leitenden Angestellten
zu einer erfolgreichen Anfechtung der
Betriebsratswahlen geführt hatte (LAG
Baden-Württemberg, Beschluss vom
29.4.2011, Az. 7 TaBV 7/10).
Betrachtet man zu diesem Punkt den
Eingangsfall, gilt auch hier: Der Wahl-
vorstand könnte recht bekommen. Dazu
müsste er darlegen, dass die vom Arbeit-
geber als „Leitende“ aufgeführten Mitar-
beiter die Vorgaben des § 5 BetrVG nicht
erfüllen. Dann liegt es amArbeitgeber, in
jedem Einzelfall die Tatbestandsvoraus-
setzungen für den Status eines Leiten-
den darzulegen. Beweiserleichterungen
gibt es dann, wenn die betroffenen Per-
sonen schon bei der vergangenen Be-
triebsratswahl als leitende Angestellte
zugeordnet wurden. Dann gilt im Zweifel
auch aktuell noch derselbe Status wie
bei dieser Betriebsratswahl (§ 5 Abs. 4
Nr.1 BetrVG).
Knackpunkt 4:
Die Leiharbeitnehmer zählen mit
Dieser Punkt war schon zur vergange-
nen turnusmäßigen Betriebsratswahl
im Jahre 2014 ein häufiger Verfahrens-
Was können Arbeitgeber tun, wenn sie mit der Entscheidung des Wahlvorstands über
die Feststellung der Betriebsgröße nicht einverstanden sind? Vier Tipps zum Vorgehen.
1. Prüfen Sie zunächst, welche Auswirkungen die festgestellte Betriebsgröße hat.
Hierbei sollten Sie den Blick nicht nur auf die Auswirkungen hinsichtlich der Gremi-
umsgröße, sondern auch auf die anderen Schwellenwerte des BetrVG richten (siehe
Kasten zu den Schwellenwerten).
2. Versuchen Sie Ihre Differenzen rechtzeitig im Gespräch mit dem Wahlvorstand zu
klären und vermeiden Sie dabei auf die Ihrer Meinung nach „klare Rechtslage“, die
„ihnen recht geben wird“ hinzuweisen. Bedenken Sie, dass die Arbeitsgerichte dem
Wahlvorstand hinsichtlich seiner Auslegung des Begriffs „in der Regel beschäftigte
Arbeitnehmer“ einen Ermessensspielraum einräumen.
3. Müssen Sie sich für eine gerichtliche Klärung entscheiden, so sollten Sie versuchen,
diese vorab, gegebenenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, zu führen.
Auch wenn die Zeit bis zur Wahl nur selten bis zu einem rechtskräftigen Abschluss ei-
ner Feststellung der Betriebsgröße ausreichen dürfte, wird das Arbeitsgericht oftmals
seine vorläufige Meinung einbringen. Dadurch bestehen in den Fällen, in denen der
Wahlvorstand seine Behauptung über die Betriebsgröße unsubstantiiert oder gar „ins
Blaue“ gemacht hat, gute Chancen, dass man diesen mithilfe des Arbeitsgerichts zu
einer freiwilligen Reduzierung seiner Vorstellungen bewegen kann.
4. Auch nach erfolgter Betriebsratswahl können Sie die Wahl möglicherweise mit dem
Argument, dass eine unrichtige Betriebsgrößenfeststellung zugrunde gelegt wurde,
erfolgreich anfechten. Denken Sie aber auch hier pragmatisch und werfen erst einmal
einen Blick auf das Wahlergebnis. Denn eine wirksame Anfechtung führt zur Wahl-
wiederholung und was man hat, das hat man.
Pragmatisch handeln, Streit vermeiden
TIPPS