76
RECHT
_BETRIEBSRATSWAHL
personalmagazin 08/17
A
ls die Leiterin der Personalab-
teilung eines inhabergeführ-
ten Einzelhandelsbetriebs
folgenden Satz am schwar-
zen Brett liest, ist sie vor Überraschung
zunächst sprachlos. „Es sind neun Be-
triebsratsmitglieder zu wählen“, steht
dort geschrieben. Sprachlos ist sie des-
halb, weil sie ihrem Chef erst kürzlich
Von
Thomas Muschiol
noch die Folgen einer bevorstehenden
Betriebsratswahl dargelegt hatte und
dabei davon ausgegangen war, dass man
sich wie bisher mit sieben Betriebsrats-
mitgliedern auseinandersetzen muss.
Auch hatte sie dem Wahlvorstand eine
aktuelle Liste der Arbeitnehmer heraus-
gegeben. Danach belief sich die Anzahl
auf genau 198 Mitarbeiter. Und diese
Zahl, so hatte es die Personalleiterin
ihrem Chef erläutert, sei weiterhin die
Grundlage für ein Gremium von sieben
Betriebsratsmitgliedern, da erst ab einer
Betriebsgröße von 201 Arbeitnehmern
der Betriebsrat auf neun Personen auf-
zustocken sei. Ein Anruf beim Wahlvor-
stand ergab, dass dieser „pflichtgemäß
die Betriebsgröße ermittelt habe“ und
auf eine Zahl von 204 gekommen sei.
Wenn das stimmen würde, musste die
Personalchefin jetzt ihrem Chef erklä-
ren, dann wäre die Folge nicht nur ein
größeres Gremium: Ab einer Mitarbei-
teranzahl von 201 Mitarbeitern ist zu-
dem ein Betriebsratsmitglied pauschal
von der Arbeit freizustellen.
Die Bestimmung der Betriebsgröße
und die jeweiligen Folgen
Die geschilderte Situation ist kein Ein-
zelfall und mit der Frage nach der Be-
triebsgröße werden sich in Kürze wie-
der zahlreiche Personalverantwortliche
beschäftigen müssen. Der Grund: Die
Betriebsratswahlen werden turnusmä-
ßig in der Zeit von März bis Mai 2018
stattfinden und die damit zusammen-
hängende Bestimmung der Betriebsgrö-
ße ist eine der grundlegenden ersten
Feststellungen, die der Wahlvorstand
treffen muss. Hier sollten sich Arbeitge-
ber frühzeitig auf mögliche Differenzen
einstellen und bestenfalls erreichen,
dass Streitigkeiten darüber vermieden
und nicht erst im Anfechtungsverfahren
(siehe Tipps im Kasten auf Seite 78) aus-
getragen werden müssen.
Dabei darf zudem nicht außer Acht
gelassen werden, dass die Betriebsgrö-
ße nicht nur Einfluss auf die Gremi-
umsgröße und die Anzahl freigestellter
Mitarbeiter zählen – aber richtig
ÜBERBLICK.
Gerade für die bevorstehende Betriebsratswahl ist die Betriebsgröße ein
wichtiger Referenzwert. Bei dessen Bestimmung ist jedoch einiges zu beachten.
Das am 1. April 2017 in Kraft getretene „Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs bei
Leiharbeit und Werkverträgen“ kann durchaus Auswirkungen auf die Betriebsgrößen-
feststellung im Rahmen der Betriebsratswahlen haben.
In der neuen Vorschrift des § 611a BGB ist seit April 2017 der Grundsatz festgeschrie-
ben, dass die tatsächliche Durchführung einer Tätigkeit für deren rechtliche Einstu-
fung maßgebend ist. Wörtlich heißt es dazu: „Zeigt die tatsächliche Durchführung des
Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die
Bezeichnung im Vertrag nicht an.“
Dass der Gesetzgeber mit seinem Ziel, den „Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträ-
gen“ zu bekämpfen, auch den betriebsverfassungsrechtlichen Status von Fremdpersonal
im Auge hatte, zeigen weitere Details des Gesetzespakets. So muss stets erkennbar
sein, ob sich ein im Betrieb eingesetzter Mitarbeiter einer Fremdfirma als Leiharbeitneh-
mer oder im Zusammenhang mit einem Werkvertragsauftrag vor Ort befindet.
Des Weiteren wird die Unterrichtspflicht des Arbeitgebers an den Betriebsrat erweitert.
Bislang haben Arbeitgeber bereits über die Beschäftigung von Personen, die „nicht in
einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen“, und insbesondere über „den zeitlichen
Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen“ (§ 80 Abs.
2 Satz 1 BetrVG) zu informieren. Die Pflicht zur Herausgabe der „erforderlichen Unterla-
gen“ ist nun erweitert auf die Verträge, „die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten
Personen zugrunde liegen“ (§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).
Risikoverschärfung durch Fremdfirmen
BETRIEBSRAT