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RECHT
_ZEITARBEIT
personalmagazin 08/17
doch noch anzurechnen waren. Es ist
hier also eine hohe Genauigkeit bei der
Umstellung erforderlich.
Neu: die sechste Zuschlagsstufe
Beide TV-BZ – jener der Metall- und
Elektro- sowie jener der chemischen In-
dustrie – sehen nunmehr eine sechste
Zuschlagsstufe vor, die jeweils ab Beginn
des 16. Einsatzmonats eingreift. Wäh-
rend der TV-BZ M+E auf dieser Stufe
einen Zuschlag von 65 Prozent vorsieht,
unterscheidet der TV-BZ Chemie zudem
nach Entgeltgruppen (EG 1 und EG 2:
67 Prozent; EG 3 bis EG 5: 45 Prozent;
EG 6 bis EG 9: 24 Prozent). Durch diese
weitere Zuschlagsstufe soll der jeweilige
TV-BZ dem Zeitarbeitnehmer nach 15
Einsatzmonaten eine mit dem Vergü-
tungsniveau des Kunden vergleichbare
Entlohnung sichern. Dies stellt einen
gegenüber der gesetzlichen Equal-Pay-
Regelung deutlichen Zeitgewinn dar, da
gesetzlich bereits nach neun Monaten
„equal“ vergütet werden müsste.
Damit jedoch nach Maßgabe des
reformierten AÜG diese zusätzliche
Zuschlagsstufe das gesetzliche Equal-
Pay-Gebot ablöst, verlangt § 8 Abs. 4
AÜG, dass der Tarifvertrag eine soge-
nannte Gleichwertigkeitserklärung ent-
hält. Dies wiederum setzt voraus, dass
der Tarifvertrag ausdrücklich erklärt,
dass durch die nach dem 15. Einsatzmo-
nat geltende Zuschlagsstufe ein Gesamt
entgelt erzielt wird, das der Vergütung
eines vergleichbaren Stammarbeitneh-
mers entspricht. Beide neuen TV-BZ
erfüllen diese Anforderung, sodass in ih-
rem jeweiligen Geltungsbereich Anfang
des nächsten Jahres kein gesetzliches
„Equal Pay“ mehr gezahlt werden muss.
Chemie: erweiterte Reichweite
Um die Ablösung des gesetzlichen
„Equal Pay“ für alle Mitarbeitergruppen
zu ermöglichen, wurde für die chemi-
sche Industrie in persönlicher Hinsicht
die Reichweite der Branchenzuschlags-
pflicht erweitert. Nunmehr werden auch
Zeitarbeitnehmer der Entgeltstufen 6
bis 9 erfasst, für die bislang kein Bran-
chenzuschlag zu zahlen war. Deren Ein-
satzzeiten werden jedoch erstmals mit
Wirkung ab dem 1. April 2017 der Be-
rechnung der Zuschlagsstufen zugrun-
de gelegt. Es findet also keine Rückan-
knüpfung über dieses Datum hinaus
statt. Zudem gilt bis zum 31. Dezember
2017 ein einheitlicher Zuschlagssatz in
Höhe von einem Prozent – also ohne
Hochstaffelung auf die zweite, dritte
oder vierte Stufe. Erst am 1. Januar 2018
springt der Zuschlag bei entsprechen-
der Einsatzdauer direkt auf 20 Prozent.
Deckelung I: die ersten 15 Monate
Die neuen TV-BZ sehen nun zwei Op-
tionen zur Deckelung des Branchen-
zuschlags vor. Beide Möglichkeiten
müssen vom Einsatzunternehmen aus-
drücklich geltend gemacht werden, so-
dass die Überlassungsverträge entspre-
chend anzupassen sind.
Danach gilt die bisherige Möglich-
keit der Deckelung auf das regelmäßi-
ge Stundenentgelt eines vergleichbaren
Stammarbeitnehmers des Entleihers
unverändert für die ersten fünfzehn
Monate des Einsatzes – einschließlich
der Deckelung auf 90 Prozent des Ver-
gleichsentgelts. Eine gravierende Ein-
schränkung ist jedoch zu beachten: Seit
dem 1. April darf diese Systematik nicht
mehr dazu führen, dass der Zeitarbeit-
nehmer bereits auf der ersten Stufe,
also nach sechs Wochen Einsatzdauer,
keinen Branchenzuschlag erhält. Die-
ser darf mit anderen Worten nicht auf
„null“ gedeckelt werden. Irgendeinen
Branchenzuschlag muss der Zeitarbeit-
nehmer im Geltungsbereich der beiden
neuen TV-BZ also immer bekommen.
Das bedeutet bei Einsätzen, in denen
das Vergleichsentgelt tatsächlich nied-
riger oder genauso hoch ist wie das Tarif
entgelt der Zeitarbeit: In solchen Fällen
muss nach der hier vertretenen Auffas-
sung der Branchenzuschlag der ersten
Stufe, für Einsätze in der Metall- und
Elektro-Industrie also 15 Prozent, in den
ersten fünfzehn Monaten durchgehend
gezahlt werden. Es genügt nicht, trotz
Deckelung auf „null“ gleichwohl – und
damit außertariflich – einen Zuschlags-
betrag von einem Cent oder Ähnliches
zu zahlen. In diesem Fall würde der TV-
BZ selbst weiterhin keinen Branchen-
zuschlag gewähren, vielmehr läge eine
außertarifliche Arbeitgeberzahlung vor.
Dann wäre jedoch nach neun Monaten
das gesetzliche „Equal Pay“ zu zahlen –
was sicherlich nicht gewollt wäre.
Sehr praxisrelevant ist, dass diese
neue Begrenzung der Deckelungsmög-
lichkeit bereits rückwirkend seit dem 1.
April gilt. Hat also ein Zeitarbeitnehmer
allein aufgrund der Deckelungsregelung
im April, Mai oder Juni keinen Branchen-
zuschlag bekommen, muss dies nunmehr
korrigiert und nachvergütet werden.
Deckelung II: nach dem 15. Monat
Für die sechste Zuschlagsstufe ab Be-
ginn des 16. Einsatzmonats gilt ein
neues Deckelungssystem. Auch diese
zweite Option, das Entgelt des Zeitar-
beitnehmers zu begrenzen, muss das
Einsatzunternehmen ausdrücklich gel-
tend machen. Dabei kann es diese zwei-
te Deckelung losgelöst von der ersten
verlangen. Das heißt: Selbst wenn die
Deckelung I nach dem Willen des Ent-
leihers in den ersten fünfzehn Mona-
ten nicht eingreifen sollte, kann dieser
gleichwohl ab dem 16. Monat deckeln.
Diese zweite Deckelungssystematik
Im Geltungsbereich der
neuen Tarifverträge
über Branchenzuschlä-
ge muss ab Anfang des
nächsten Jahres kein
gesetzliches Equal Pay
mehr gezahlt werden.