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RECHT
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URTEILSDIENST
Drei Jahre Kündigungsfrist sind unangemessen
Um die Kündigungsfrist für Arbeitgeber
wie Arbeitnehmer zu verlängern, ist
eine Zusatzvereinbarung grundsätzlich
möglich. Nach § 622 Abs. 6 BGB darf je-
doch für eine Arbeitnehmerkündigung
Geschäftsbedingungen (AGB). Im Fall
vor dem BAG war die Zeitspanne von
drei Jahren wesentlich länger als die
gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1
BGB und damit unangemessen.
keine längere Frist vereinbart werden
als für die Kündigung durch den Arbeit-
geber. Zudem gibt es Grenzen für solche
zusätzlichen Vereinbarungen, zum Bei-
spiel durch das Recht der Allgemeinen
URTEIL DES MONATS
Eine besondere Form der Mitarbeiterbindung hatte ein Spediteur aus Sachsen umge-
setzt, indem er die Kündigungsfrist einiger Arbeitnehmer per Zusatzvereinbarung auf
drei Jahre verlängerte. Der Arbeitgeber erkaufte sich diese Klausel mit einem höheren
Monatsgehalt. Dieser Praxis hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun einen Riegel
vorgeschoben. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter haben entschieden: Wird die
gesetzliche Kündigungsfrist erheblich verlängert, kann dies den Mitarbeiter unange-
messen benachteiligen – auch dann, wenn der Arbeitgeber sich dieselbe verlängerte
Kündigungsfrist selbst auferlegt. Im konkreten Fall pochte der Arbeitgeber auf eine
Zusatzvereinbarung hinsichtlich einer verlängerten Kündigungsfrist. Neben der Drei-
Jahres-Frist zum Monatsende beinhaltete die Abmachung, das monatliche Bruttogehalt
von 1.400 Euro auf 2.400 Euro beziehungsweise – ab einem monatlichen Reinerlös von
20.000 Euro – auf 2.800 Euro anzuheben. Zudem sollte das Entgelt drei Jahre unverän-
dert bleiben. Das BAG kassierte nun die vereinbarte Zusatzklausel, da der Mitarbeiter
durch die Verlängerung der Kündigungsfrist unangemessen benachteiligt werde. Die
Zusatzvereinbarung widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben und sei als AGB
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Zeitspanne von drei Jahren sei we-
sentlich länger als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB. Die verlängerte Frist
stelle daher eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit dar.
Die vorgesehene Gehaltserhöhung wiege diesen Nachteil für den Arbeitnehmer nicht
auf – zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfriere.
LOW PERFORMER
ZUSAMMENFASSUNG
Grundsätzlich kann eine schlechte Arbeitsleis-
tung eine verhaltensbedingte Kündigung nach vorheriger Abmah-
nung rechtfertigen. Das Unternehmen muss die Minderleistung aber
beweisen. Damit scheiterte der Arbeitgeber eines KFZ-Mechanikers.
RELEVANZ
Das Urteil zeigt die praktischen Schwierigkeiten bei
Maßnahmen gegen sogenannte Low Performer. Das Gericht be-
mängelte, dass der Arbeitgeber weder die Leistungen des Arbeit-
nehmers über einen repräsentativen Zeitraum noch die Fehlerquote
vergleichbarer Arbeitnehmer dargelegt habe. Das müsse jedoch ge-
schehen, damit das Gericht feststellen kann, ob beim Arbeitnehmer
eine den Durchschnitt erheblich unterschreitende Leistung vorliegt.
VERSCHULDEN
ZUSAMMENFASSUNG
Weil sie nicht grob fahrlässig handelte, musste
die Kassiererin einer Tankstelle nicht für den Schaden von über
3.500 Euro aufkommen. Sie wurde durch sogenanntes Spoofing –
den Anruf mit einer vorgetäuschten Nummer – in die Irre geleitet.
RELEVANZ
Aufgrund der Täuschung scannte die Arbeitnehmerin
insgesamt 124 Prepaidkarten ein und gab zudem sämtliche Pre-
paid-Codes telefonisch bekannt. Die Versicherung der Tankstelle
nahm die Mitarbeiterin deshalb in Regress. Weil jedoch die Aus-
schlussfrist abgelaufen war, kam nur eine Haftung bei grober Fahr-
lässigkeit in Frage. Ein solches Verschulden sahen die Richter jedoch
nicht, weil die Mitarbeiterin die Anrufe für echt halten durfte.
Quelle
BAG, Urteil vom 26.10.2017, Az. 6 AZR 158/16
Quelle
LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.8.2017, Az: 14 Sa 334/17
Quelle
ArbG Siegburg, Urteil vom 25.8.2017, Az: 3 Ca 1305/17
Die Kündigungsfrist ist auch einvernehm-
lich nicht grenzenlos zu verlängern.
© KEVIN RENES / SHUTTERSTOCK.COM
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