personalmagazin 3/2017 - page 47

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03/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Daniela Furkel.
durchzustehen. In Deutschland arbeiten
viele Studierende zumindest zeitweise
schon in ihrem zukünftigen Beruf. In
den USA dagegen verdienen sie neben
dem Studium Geld in einem Fast-Food-
Restaurant.
personalmagazin:
Definitiv zurückhaltend
sind deutsche Unternehmen aber beim
Einsatz von cloudbasierten IT-Lösungen:
Werden sie mit der Zeit akzeptieren, dass
über Cloud-Lösungen vor allem Standard-
prozesse abgebildet werden und dass sie
die Software nur in beschränktem Um-
fang an die eigenen Prozesse anpassen
können?
Otter:
Ja, das werden sie. Die Kunden
sind bereit für standardisierte Prozesse
und sehen die Einführung einer cloud-
basierten Lösung als Möglichkeit, ihre
Bürokratie etwas abzubauen. Warum
sind drei Personen nötig, um einen Ur-
laubsantrag zu genehmigen? Das macht
keinen Sinn und verzögert den Prozess
unnötig. Die meisten Unternehmen
haben das inzwischen festgestellt und
wollen ihre Prozesse verschlanken. Aber
auch in cloud-basierten Lösungen ist viel
Flexibilität möglich. Ich kann nicht für
die anderen Anbieter sprechen, aber für
unsere Lösung. Diese bietet zwar nicht
die Flexibilität, alles umzubasteln und
umzuprogrammieren, aber sie bietet
viele Möglichkeiten zur Konfiguration,
um die eigenen Prozesse einzubinden
und über das „Extension Center“ Erwei-
terungen zu nutzen.
personalmagazin:
Also spricht Ihrer Ansicht
nach heute nichts unbedingt für den
Einsatz einer Human-Resources-Manage-
ment-Software, die beim Unternehmen
vor Ort installiert ist?
Otter:
Die Flexibilität von On-premise-
Lösungen wird häufig überschätzt.
Wenn Personaler ihre Software zu stark
individualisieren, übernehmen sie zu-
nehmend IT-Aufgaben. Die eigentliche
Aufgabe einer HR-Abteilung ist aber,
HR zu machen und nicht IT. Die Gren-
ze zwischen Eigenentwicklungen und
Standardprozessen ist immer spannend.
Unsere Flexibilität ergibt sich nicht nur
durch unser Produkt, sondern auch
durch unsere Partner. Früher mussten
wir für jeden Kunden eine selbstgebas-
telte Integration entwickeln. Die Cloud
gibt uns die Möglichkeit, einfache Ver-
knüpfungen zu anderen Produkten zu
integrieren.
personalmagazin:
Haben Sie ein Beispiel
hierfür?
Otter:
Ein Beispiel ist: Einer unserer
Kunden wollte für Ölplattformen in der
Nordsee eine Offline-Lösung einführen.
In unserem Produkt war das aber nicht
vorhanden und wir hatten auch keine
Zeit, das zu bauen, aber ein Partner hat
das entwickelt. Jetzt vertreibt dieser
Partner die Offline-Lösung auch an an-
dere Ölfirmen.
personalmagazin:
Werden sich dadurch,
dass immer mehr Unternehmen auf
Cloud-Lösungen setzen, die Personal­
prozesse der Firmen zunehmend an­
gleichen?
Otter:
Es gibt Prozesse, bei denen es
sinnvoll ist, dass sie gleich ablaufen.
Und es gibt Prozesse, bei denen die Un-
ternehmen innovativ sein müssen. Die
Unternehmen müssen entscheiden, wo
in ihrer HR-Praxis Standards vorkom-
men sollten und wo sie individuelle
Wege finden sollten. Hierzu kann ich
ein Beispiel aus dem Recruiting nen-
nen: Bertelsmann hat einen sehr inno-
vativen Recruiting-Prozess etabliert und
mit unserer Lösung beachtenswerte,
individuelle Wege gefunden. Auf der an-
deren Seite gibt es Prozesse, in denen
der Standard der richtige Weg ist, um
die administrativen Abläufe zu vereinfa-
chen und Kosten zu sparen. Es bringt ei-
nem Unternehmen keinen Vorteil, wenn
es einen individualisierten Prozess für
Urlaubsanträge einführt. Der Grund-
gedanke von Software ist, die Prozesse
zu vereinfachen, sodass die Personaler
sich um ihre Mitarbeiter kümmern und
strategisch arbeiten können. So gehen
unsere Kunden vor: Sie prüfen, wo sie
Standards einsetzen können und wo sie
innovativ sein wollen. Oftmals ist es so:
Was heute innovativ ist, wird in einigen
Jahren zum Standard werden. Es sind
spannende Zeiten.
personalmagazin:
Die Personaler gelten
nicht unbedingt als die Treiber von
Digitalisierung im Unternehmen. Müssen
sich Personalmanager stärker mit dem
Thema befassen?
Otter:
Die Personaler haben eine große
Chance, Vorreiter zu sein. Denn wenn
man den Technologiewandel in den
Unternehmen betrachtet, war HR ei-
gentlich immer vorn mit dabei. Zum
Beispiel stellte die Lohn- und Gehaltsab-
rechnung in den 1950er-Jahren die erste
IT-Lösung im Geschäftsumfeld dar. Die
erste Nutzung des Internets im Busi-
ness-Bereich entstand im Recruiting mit
dem Einsatz von Online-Stellenbörsen.
Beim Blick auf die sozialen Medien zeigt
sich, dass Linkedin eine viel größere Be-
deutung im HR-Bereich hat als in allen
anderen Bereichen. Auf der einen Seite
ist HR also Vorreiter oder zumindest
sehr aktiv in Sachen Digitalisierung,
auf der anderen Seite haben die Perso-
nalmanager aber noch nicht verstanden,
wie sie das vermarkten können. Sie soll-
ten weniger Angst haben und mehr Mut
zeigen sowie ihre eigenen Erfolge bes-
ser kommunizieren – sowohl intern als
auch extern.
„Wenn Personaler ihre
Software zu stark indi-
vidualisieren, überneh-
men sie zunehmend
IT-Aufgaben. Ihre ei-
gentliche Aufgabe ist
aber, HR zu machen.“
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