personalmagazin 1/2017 - page 26

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TITEL
_DATA DRIVEN RECRUITING
personalmagazin 01/17
E
s könnte so praktisch sein.
Recruiterin Sarah hat eine Stel-
le zu besetzen. Sie weiß, es wird
nicht einfach sein, passende
Kandidaten zu finden. Also chattet Sa-
rah ihren Recruiting Bot an und schickt
ihm den Link zur Stelle. Der Bot analy-
siert die Stellenausschreibung, stellt
einige offene Fragen, um das gesuchte
Profil einzugrenzen, und geht auf die Su-
che. Er schreibt eigenständig passende
Kandidaten an, die er auf verschiedenen
Plattformen und in der eigenen Bewer-
berdatenbank gefunden hat. Er klopft in
Von
Jonas Jatsch
einem privaten Chat das Interesse und
die Eignung ab und klärt erste Fragen
zu Stelle, Unternehmen und Umfeld.
24 Stunden später bekommt Sarah eine
Shortlist und übernimmt. Der Chatbot ist
weiterhin rund um die Uhr für Fragen der
Bewerber da.
Keine Recruiting-Utopie
Eine Utopie? Nein. Beim HR Hackathon
2016 in Berlin habe ich mich mit genau
dieser Frage beschäftigt und mit dem
Team Slack-Hack-HR einen Prototypen
eines solchen Chatbots entwickelt. Auch
Start-ups wie Wade & Wendy oder Cyra.
ai aus den USA gehen in diese Richtung
und werden bald Marktreife haben.
Doch was will der Bewerber? Ist es
nicht zu unpersönlich, mit einem Com-
puter über Karriere zu sprechen? Was
macht dann eigentlich der Recruiter den
ganzen Tag? Eine Befragung von Studen-
ten und Berufseinsteigern hat ergeben:
Bewerber erwarten keine technologischen
Höhenflüge im Bewerbungsprozess, son-
dern schlicht Liebe. Das heißt konkret: Sie
wollen jederzeit Fragen stellen können,
sie wollen wissen, wo ihre Bewerbung
steht, sie möchten Feedback bei Absagen
einholen und haben Fragen zum Arbeits-
umfeld. Das alles soll über einen persön-
lichen Ansprechpartner geschehen. Spielt
es dabei eine Rolle, ob der Ansprechpart-
ner Mensch oder Roboter ist? Hier fallen
die meisten Personalabteilungen mangels
Zeit heute ohnehin schon durch. Solange
der Bot kompetent ist und natürlich kom-
muniziert, bietet er viel Mehrwert.
Die Spamfrage ist durchaus kritischer
zu betrachten. Ein Bot muss sehr gezielt
in der Ansprache sein, wie auch ein sorg-
fältiger menschlicher Sourcer. Ein Bot
muss aus dem Kontakt mit Kandidaten
lernen. Er ist – wie ein Recruiter – Aus-
hängeschild eines Unternehmens.
Die Recruiter von heute können sich
nicht zurücklehnen. Sie haben frustrie-
rend komplexe Aufgaben abgegeben und
können sich nun auf den Part konzent­
rieren, der die eigentliche Herausfor-
derung darstellt. Zu dieser gehört das
Candidate Relationship Management,
das Stakeholder Management mit der
Linie und letzten Endes die Aufgabe, die
richtigen Mitarbeiter zu finden und an
Bord zu nehmen. Natürlich erfordert das
auch ein Umdenken bei Standing und
Wertigkeit des Recruiters. Der Recruiter
von morgen ist ein brillanter Verkäufer,
ein Experte fürs Business, ein guter
Netzwerker und er weiß, welche Tools
ihn perfekt bei seiner täglichen Arbeit
unterstützen. Die aussterbende Spezies
wird das Juniorprofil mit Entwicklungs-
potenzial zum Personalreferenten sein.
Ich bin sicher, dass eine effektive
Arbeitsteilung zwischen Recruiter und
künstlicher Intelligenz die Zukunft der
Mitarbeitergewinnung sein wird. Unter-
nehmen, die diesen Split hinbekommen,
werden einen immensen Wettbewerbs-
vorteil am Arbeitsmarkt genießen.
Ein Job für Roboter?
TREND.
Chatbots sind im Kundenservice bereits selbstverständlich, nicht aber im
Recruiting. Ist das richtig so oder hängt HR der Entwicklung mal wieder hinterher?
JONAS JATSCH
ist im Bereich Group HR
Operations bei der Baloise Group tätig.
Roboter können rund um die Uhr
Bewerberfragen beantworten.
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