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TITEL
_DATA DRIVEN RECRUITING
personalmagazin 01/17
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
tenziale nutzen, die bislang unberück-
sichtigt geblieben sind. Dazu zählen
beispielsweise Menschen mit Autis-
mus, die oft sehr gut ausgebildet sind,
aber normalerweise durch die üblichen
Recruiting-Raster fallen.“ Nach ihrer Er-
fahrung halten die bestehenden Recru-
iting-Prozesse Minderheiten davon ab,
am Arbeitsleben teilzunehmen. Deshalb
lässt sie ihre eigenen Erfahrungen in die
Entwicklung des „Anti Bias Check“ mit
einfließen. „Ich finde es wichtig, mithil-
fe der Technologie die ‚Blind Spots‘ im
Recruiting präsent zu machen“, sagt die
Diversity-Verantwortliche.
Viele Einsatzmöglichkeiten
Nicht nur die Bewerberauswahl kann
datengestützt optimiert werden, auch
für die Stellenausschreibung, die Be-
werberkommunikation und weitere
Felder können digitale Tools genutzt
werden. Beispiel Stellenanzeige: Moder-
nes Recruiting besteht nicht nur darin,
Anzeigendesigns für mobile Endgerä-
Ein Problem bei der datengestützten Bewerberauswahl bleibt auch in Zukunft
bestehen: Die Aufgabenbeschreibungen der meisten Unternehmen sind zu wenig
konkret. Ein genaues Matching ist deshalb kaum möglich.
Die Stellenprofile in den Unternehmen beziehungsweise die daraus abgeleiteten
Aufgabenbeschreibungen in Stellenanzeigen, die mit den Qualifikationen der Bewerber
abgeglichen werden, sind wenig spezifisch. Vielmehr formulieren die Firmen in ihren
Inseraten recht generische Anforderungsprofile, fanden die Kommunikationsexperten
Sascha Theisen und Manfred Böcker in einer Sprachanalyse von Stellenanzeigen heraus,
die sie gemeinsam mit dem Softwareanbieter Textkernel durchführten. 120.000 Online-
Stellenanzeigen von über 500 Arbeitgebern deutschlandweit haben sie analysiert.
Eines der Ergebnisse: Gerade bei den Soft-Skills werden in den Inseraten üblicherweise
„Team- und Kommunikationsfähigkeit“ und andere Skills gefordert, die in vielen Fällen
nicht auf die Aufgabe rückführbar sind. Unter den Top-Ten der von Arbeitgebern gestell-
ten Ansprüche finden sich wenig aussagekräftige Buzzwords wie „Team“, „Flexibilität“,
„Bereitschaft“, „Freude“ oder „Einsatzbereitschaft“. Das Fazit der Autoren: „Zahlreiche
Anforderungskriterien verkommen zu deplatzierten Füllwörtern, die nur sehr vorder-
gründig registriert und reflexartig in Bewerbungsschreiben erneut aufgelistet werden –
dann als persönliche Stärke des Bewerbers. Ein Ping-Pong-Dialog der Füllsel beginnt.“
Ping-Pong der Füllsel
EINE HÜRDE
QUELLE: „CLUB DER GLEICHEN – EDITION STELLENANZEIGEN“, 2016
te zu optimieren, sondern auch darin,
die Inhalte je nach Situation und Nut-
zergruppen zu optimieren. So müssen
Stellenanzeigen, die in Ruhesituationen
betrachtet werden, andere Anforderun-
gen erfüllen als wenn sie in Situatio-
nen aufgerufen werden, in denen ein
schneller Überblick gefragt ist. Das fand
Meinestadt.de in einer Umfrage zu den
Suchgewohnheiten von Stellensuchen-
den heraus.
Inzwischen gibt es Verfahren, wie Un-
ternehmen ihre Stellenanzeigen anhand
eingehender Bewerberdaten optimieren
können. Ebenso ist es möglich, die Can-
didate Experience anhand von Bewerber-
Feedbacks laufend zu verbessern. Eine
weitere Möglichkeit ist die schnelle und
zielgerichtete Bewerberkommunikation
mittels eines Chatbots. Sogenannte Ma-
chine Learning Bots sind mittlerweile
sogar fähig, durch Ausprobieren auch
komplexe Aufgaben wie die eigenstän-
dige Suche nach passenden Kandidaten
zu bewältigen. Wie dies alles in der
Praxis funktioniert beziehungsweise
funktionieren kann, lesen Sie auf den
nachfolgenden Seiten.
Zurückhaltung bei Arbeitgebern
Noch zeigen sich die Unternehmen in
Deutschland aber zurückhaltend. Nur
wenige Vorreiter setzen die techni-
schen Möglichkeiten heute schon ein.
Das „Robot Recruiting“, bei dem ein
Algorithmus Stellensuchenden automa-
tisiert offene Stellen oder umgekehrt
Unternehmen geeignete Kandidaten
empfiehlt, nutzen laut Studie „Recrui-
ting Trends 2016“ von Monster Deutsch-
land und der Universität Bamberg nur
gut zwei Prozent der Unternehmen.
Recruiting-Spiele setzen ebenfalls rund
zwei Prozent der Unternehmen auf ih-
ren Karriere-Webseiten oder in Social
Media ein. Allerdings sind 38 Prozent
der befragten Unternehmen sowie 36
Prozent der Stellensuchenden der Mei-
nung, dass moderne Recruiting-Technik
in Zukunft verstärkt eingesetzt wird.
Wenn sich in den kommenden Jah-
ren in der Praxis intelligente Software
durchsetzt, die unbewusste Vorurteile
ausblendet, die automatisch im Internet
nach passenden Bewerbern sucht oder
die die Inhalte von Stellenanzeigen an
die Bewerberbedürfnisse anpasst, dann
stellt sich zwangsläufig die Frage, wo in
Zukunft der Recruiter stehen wird. Wird
er bei all den technischen Möglichkeiten
überhaupt noch benötigt? Die Antwort
ist ein definitives „Ja“. Eine Software
wird die Recruitingprozesse schneller
und effizienter machen und sie kann
die Qualität der Auswahlentscheidung
erhöhen und diese objektiver gestalten,
aber sie kann den Personaler mit seinem
Erfahrungswissen nicht ersetzen.
ADD-ON
Welche Auswirkungen Data Driven Rec-
ruiting auf die Gestaltung von Lebens-
läufen hat, erfahren Sie in der App.