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TITEL
_DATA DRIVEN RECRUITING
personalmagazin 01/17
den Big-Data-Bereich hineingehen. Ins-
besondere die lernenden Algorithmen
beruhen darauf, dass eine sehr große
Datenmenge vorliegt.
personalmagazin:
In kleineren und mittleren
Unternehmen sind oftmals nicht genügend
Daten vorhanden, die für eine sinnvolle
Bewerberauswahl benötigt werden.
Förderer:
Das ist richtig. Aber wir haben
den Vorteil, dass wir mittlerweile stark
im Cloud-Umfeld vertreten sind. Wenn
unsere Kunden zustimmen, können wir
auch kundenübergreifende Analysen
fahren. Außerdem enthalten soziale
Netzwerke wie Linkedin öffentlich ver-
fügbare Informationen und wir können
auf öffentliche Stellenausschreibungen
aus Jobportalen zugreifen. Sofern es
den Datenschutzlinien entspricht, ist
es grundsätzlich kein Problem, auf die-
ser Datenbasis Benchmarks zu erstellen
und Auswertungen zu fahren, die helfen,
solche Algorithmen weiterzuentwickeln.
personalmagazin:
Wie unterscheidet sich
Ihre Neuentwicklung von bereits beste-
henden Lösungen?
Förderer:
Hier muss man verschiedene
Stufen der Intelligenz unterscheiden.
Auch das, was wir entwickelt haben, be-
inhaltet mehrere Funktionen: Die eine
ist die bereits erwähnte Sentiment Ana-
lysis, bei der wir Textbausteine nach po-
tenziell diskriminierenden Inhalten ana-
lysieren. Jetzt könnte man sagen: „Das
ist ein Mechanismus, der seit Längerem
vorhanden ist – eine Software sucht ein-
fach nach bestimmten Begriffen. Das ist
ziemlich eindimensional.“ Sentiment
„Vorurteile aufdecken“
INTERVIEW.
Eine neue Software von SAP Successfactors soll unbewusste Vorein
genommenheit vermeiden. Joachim Förderer erläutert die Funktionsweise.
personalmagazin:
Ist eine Software ein
besserer Recruiter als ein Personaler mit
seinem Erfahrungswissen?
Joachim Förderer:
Die Antwort lautet na-
türlich „Nein“. Aber ich muss etwas
ausholen und erläutern, wo wir stehen
und was wir machen: Es geht nicht da-
rum, einen Recruitingprozess komplett
zu automatisieren, sondern es geht da
rum, an den Stellen, an denen die Ma-
schine unterstützend eingreifen kann,
den Recruitern einen entsprechenden
Support zu geben. Im Umfeld „Machine
Learning“ geht es um intelligente Al-
gorithmen, die über die Zeit hinweg
Erfahrungen aufbauen. Solange diese
Algorithmen lernen, ist es sinnvoll, re-
gelmäßig darauf zu schauen, denn ein
Algorithmus kann auch falsche Dinge
lernen. Wenn wir Automatismen in eine
Software einbauen, dann werden wir
unseren Kunden auch ermöglichen, ma-
nuelle Verifikationsschritte einzubauen.
personalmagazin:
Bei welchen HR-Aufgaben
kann die Software eingesetzt werden?
Förderer:
Unsere Initiative „Business be
yond bias“ ist nicht auf das Recruiting
beschränkt. Wir haben Aktivitäten im
Performance Management, also bei Ziel-
vereinbarungen, sowie im Vergütungs-
management. Dass bei unseren Kunden
die Problematik ein Thema ist, sehen
wir daran, wie viel Resonanz wir bereits
auf diese Initiative bekommen haben.
personalmagazin:
Wie viel Big Data steckt
in der Software?
Förderer:
Die dahinterliegenden Technolo-
gien erlauben die Auswertung von gro-
ßen Datenmengen und unstrukturierten
Daten. So einfach ist es übrigens gar
nicht, im Personalumfeld geeignete Big-
Data-Anwendungsfälle zu finden. Die
Sentiment Analysis zum Beispiel, bei
der wir analysieren, ob eine Stellenaus-
schreibung unabsichtlich Gender bevor-
zugende Begriffe enthält, beruht darauf,
so viele Stellenausschreibungen wie
möglich einzusammeln und auszuwer-
ten, welche Terminologie dort verwen-
det wird. Das ist schon Big Data, aber
sicherlich nicht Big Data im Sinne von
„Internet of Things“ und Milliarden von
Datensätzen. Wir haben allerdings Kun-
den, die im Jahr vier Millionen Bewer-
ber und mehr verzeichnen. Da kommen
wir schon auf Größenordnungen, die in
JOACHIM FÖRDERER
leitet das Produkt-
management Recruiting bei SAP Success-
factors.