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01/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Daniela Furkel.
Analysis ist vielmehr eine erweiterte
künstliche Intelligenz, die es erlaubt,
Begriffe im Kontext zu bewerten. Wenn
in einer Stellenausschreibung Begriffe
wie „dominierend“ in einem bestimm-
ten Kontext verwendet werden, könnte
das Warnsignal angehen: „Achtung,
dieser Text spricht nicht das weibliche
Geschlecht an.“ Aber das Thema ist na-
türlich noch wesentlich komplexer, als
ich es gerade dargestellt habe.
personalmagazin:
Welche weiteren Funktio-
nen gibt es?
Förderer:
Das ist das Matching. Bei einem
klassischen Resume Parsing werden Le-
bensläufe, Bewerbungsschreiben oder
Profile ausgewertet und die Qualifikati-
onen, Skills, Erfahrungen und Stationen
des Bewerbers mit den Anforderungen
der Stelle abgeglichen. Das Ganze ist
auch umgekehrt möglich: Wir nehmen
Jobbeschreibungen und sind in der
Lage, aus diesen herauszufiltern, wie
das Profil ist, das ein Bewerber mitbrin-
gen müsste. Im nächsten, intelligente-
ren Schritt würden wir beispielsweise
erlauben, dass ein Kandidat seine Be-
werbung auf die Karrierewebseite eines
Unternehmens hochlädt, damit der Al-
gorithmus dem Bewerber aktiv passen-
de Jobs vorschlägt. Es geht dabei nicht
nur darum, Daten aus einem Bewerber-
profil zu extrahieren, sondern diese in
eine Vorschlagsliste von passenden Jo-
bangeboten umzuwandeln. Dieses Sze-
nario pilotieren wir zurzeit mit einigen
Kunden und wollen es mit ihnen inhalt-
lich und technisch weiterentwickeln.
personalmagazin:
Kann die Software auch
Faktoren innerhalb einer Belegschaft
ermitteln, die eine lange Verweildauer im
Unternehmen wahrscheinlich machen?
Förderer:
Das Ziel muss sein, dass wir gar
nicht auf Bewerbungen warten. Insbe-
sondere wenn es um bereits bestehende
Mitarbeiter geht, sollte die intelligente
Suche in der Lage sein, den passenden
Kandidaten aus der Belegschaft heraus-
zusuchen, selbst wenn derjenige nicht
artikuliert hat, dass er auf der Suche
ist. Was heute auf dem freien Markt
passiert, müssen wir in die Unterneh-
men transferieren. In unserem Projekt
haben wir hierzu einiges geplant, insbe-
sondere im Bereich der Suche. Das geht
in Richtung Candidate Relationship Ma-
nagement, wie es bei externen Kandida-
ten heißt. So etwas planen wir auch für
das interne Recruiting einzuführen.
personalmagazin:
Sie hatten vorhin gesagt,
dass die Personaler gefordert sind, die
Algorithmen weiter zu konditionieren.
Förderer:
Wir als Softwareanbieter müs-
sen und werden eine allgemeine Kon-
ditionierung herstellen. Zusätzlich wird
es immer auch Unternehmensspezifika
geben – je nach Branche, Region, indivi-
duellen Präferenzen und Recruitingstra-
tegie. Es wird sicherlich möglich sein,
dass das Unternehmen individuelle
Schwerpunkte setzt. Das Ganze ist eine
Art Kalibrierungsprozess, der eine Wei-
le dauert. Dass sich die Anforderungen
unserer Kunden über die Zeit ändern,
ist völlig klar. Aber: Das Schreckensbild,
dass wir eine Black Box hinstellen, vorn
die Kandidaten hineinschieben und hin-
ten kommt der perfekte Bewerber raus,
wird sicherlich nicht eintreten.
personalmagazin:
Aber könnten die Perso-
naler das Tool nicht auch manipulieren,
damit sie genau diejenigen Bewerber
vorgeschlagen bekommen, die sie sich
persönlich wünschen?
Förderer:
Das ist sicherlich denkbar. Aber
der Vorteil ist, dass die Unternehmen
alles, was sie maschinell machen, nach-
vollziehen und auditieren können. Das
ist wesentlich einfacher, als persönliche
Vorurteile aufzudecken, die der Recrui-
ter anwendet, ohne das zu dokumentie-
ren. Das ist ja die heutige Situation in
vielen Unternehmen: Man vermutet,
dass es irgendwo Probleme gibt, weiß
es aber nicht so genau. Man erstellt Re-
ports und sieht Trends oder Tendenzen,
erkennt aber nicht richtig, wo diese her-
kommen. Mit der Software können wir
das etwas erleichtern. Mit dem Thema
„Diversity, Bias, Automatisierung im
Recruitingbereich“ haben wir einen ak-
tuellen Nerv getroffen. Letztendlich geht
es aber darum, was unsere Kunden da-
raus machen und dafür zu sorgen, dass
das Sinn hat und richtig funktioniert.
personalmagazin:
In den USA lassen rund
95 Prozent aller Konzerne die Bewerbun-
gen von Software aussortieren. Warum
ist das in Deutschland anders?
Förderer:
Der Arbeitsmarkt in Nordame-
rika ist fundamental anders als bei uns.
Dort gibt es eine wesentlich höhere Vo-
latilität und nicht diese Stabilität in der
Belegschaft, wie wir sie in Deutschland
mit unserer Historie der Mitbestim-
mung und der Arbeitskultur kennen.
Zwar sinkt auch hier die Verweildauer
der Mitarbeiter in den Unternehmen.
Dennoch rechne ich nicht damit, dass
es in Deutschland nie so werden wird
wie in Nordamerika. Dafür haben wir
im Vergleich zu viele hochqualifizierte
Jobs, während die USA stark Niedrig-
lohn dominiert sind und daher sehr
hohe Bewerberzahlen haben. Die gro-
ßen Supermarktketten dort bekommen
Hunderttausende Bewerbungen pro Jahr.
Wenn sie das nicht in gewisser Weise
automatisiert aussortieren, können sie
diese Zahlen nicht bewältigen. Das ist in
Deutschland nicht so extrem, auch nicht
auf lange Sicht. Doch der Trend, dass jün-
gere Menschen nicht vorhaben, 20 oder
25 Jahre in einem Unternehmen zu blei-
ben, führt auch hier zu einer veränderten
Sicht auf die Recruitingprozesse in den
Unternehmen.
„Das Schreckensbild,
dass wir eine Black Box
hinstellen, vorn die Kan-
didaten hineinschieben
und hinten kommt der
perfekte Bewerber raus,
wird nicht eintreten.“