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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 03/15
Die Autoren fanden heraus, dass Teams aus Ländern, in
denen hierarchische Unterschiede als legitim erachtet wer-
den und diesen eine große Bedeutung beigemessen wird,
mehr Teammitglieder auf den Gipfel bringen, gleichzeitig
aber auch mehr Todesfälle verzeichnen. Unter Kontrolle zahl-
reicher Faktoren, die Gipfelerfolg und Mortalität ebenfalls
beeinflussen (u.a. Höhe des Gipfels, Alter, Erfahrung, Ausstat-
tung), konnten die Autoren bestätigen, dass Expeditionsteams
aus hierarchisch geprägten Ländern zwar von der besseren
Koordination der Mitglieder untereinander profitieren, der
geringere Austausch von Informationen, Meinungen und Be-
denken jedoch zur Nichtbeachtung von Risiken führt, was
sich in einer höheren Mortalitätsrate widerspiegelt. Dass die
Befunde tatsächlich auf Unterschiede in Gruppenprozessen
zurückzuführen sind, können die Autoren mit dem Ergebnis
untermauern, dass sich bei Solo-Expeditionen kein Einfluss
der Kultur des Herkunftslandes auf die Wahrscheinlichkeit
von Gipfelerfolg und Mortalität zeigte.
Für die Personalpraxis ergibt sich die Implikation, neben
der formalen hierarchischen Struktur von Teams (Weisungs-
befugnis etc.) auch die kulturellen Komponenten bei der Team-
zusammensetzung zu berücksichtigen bzw. entsprechende
Mechanismen zu implementieren (bspw. formal geregelte
demokratische Entscheidungsprozesse), die dysfunktionalen
Effekten hierarchischer Teamstrukturen vorbeugen.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs,
Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
D
as traditionelle Bild vom männlichen „Brötchenver-
diener“ halten viele für überholt. Im Durchschnitt
verdienen Frauen allerdings immer noch deutlich
weniger als Männer, selbst wenn sie denselben Job
ausüben (vgl. „Equal Pay Day“-Initiative, die es seit 2008 auch
in Deutschland gibt). Es gibt aber auch positive Entwicklungen:
Statistiken aus den USA zu Doppelverdiener-Ehepaaren zeigen
etwa, dass ein Drittel der Frauen mittlerweile mehr verdienen
als ihre Männer.
Tinsley und Kollegen gehen der Frage nach, wie sich ge-
sellschaftliche Veränderungen auf individuelle Einstellungen
gegenüber der Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern aus-
wirken. Dabei haben sie insgesamt vier Studien mit Studie-
renden an zwei Universitäten und Mitarbeitern verschiedener
Organisationen in den USA per Online-Fragebogen durchge-
führt. Die Teilnehmer wurden befragt, wer ihrer Meinung nach
in Beziehungen mehr verdienen sollte. Es wurde auch nach
dem tatsächlichen Einkommen der Teilnehmer gefragt.
Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen im Gegensatz zu Män-
nern eine Gehaltsverteilung bevorzugen, in der der Partner
mehr verdient als sie selbst. Eine wichtige Rolle spielte da-
Wer soll die Brötchen
verdienen?
Catherine H. Tinsley
(Georgetown University),
Taeya M. Howell
(New York University) and
Emily T. Amanatullah
(University of Texas
Austin): „Who should bring home the bacon? How deterministic
views of gender constrain spousal wage preferences“. Organizational
Behavior and Human Decision Processes, 126 (2015), 37-48.
bei die individuelle Einschätzung, inwieweit das Geschlecht
einer Person Rückschlüsse auf individuelle Merkmale und
Verhaltensweisen zulässt. Die Autoren sprechen dabei von
„Gender-Determinismus“. Eine Beispielaussage zur Messung
von Gender-Determinismus lautete (übersetzt): „Das Ge-
schlecht einer Person ist eine grundlegende Eigenschaft, die
sein/ihr Verhalten steuert.“ Frauen mit ausgeprägtem Gender-
Determinismus hatten eine deutlich erhöhte Präferenz für die
traditionelle Rollenverteilung, also den männlichen „Brötchen-
verdiener“, arbeiteten häufiger von zu Hause aus und ver-
fügten über weniger Einkommen im Vergleich zu Frauen mit
geringem Gender-Determinismus. Ein Grund für Gehaltsunter-
schiede zwischen Frauen und Männern könnte nach Meinung
der Autoren also darin liegen, dass geschlechterbezogene Ein-
stellungen (Gender-Determinismus) das Verhalten sowohl von
Frauen als auch von Männern meist unbewusst beeinflussen.
Deterministische Einstellungen zu Geschlechterunterschieden
sind insbesondere dann problematisch, wenn dadurch die Be-
förderung von Frauen in Führungspositionen verhindert wird
(etwa weil Manager annehmen, dass Frauen generell größere
Schwierigkeiten haben, Beruf und Familie zu vereinbaren, weil
sie Frauen sind). Die nach wie vor bestehende Gehaltskluft
zwischen Männern und Frauen verstärkt solche unbewussten
Vorurteile möglicherweise. Für die Praxis könnte eine Schluss-
folgerung sein, dass Führungskräfte und (weibliche) Mitar-
beiter ihre eigene Einstellung zum Zusammenhang zwischen
Geschlecht, Verhalten und Charaktereigenschaften reflektie-
ren sollten, um deren unbewussten Einfluss auf die Berufswahl
und auf Beförderungsentscheidungen zu verringern.
Besprochen von
Dr. Nale Lehmann-Willenbrock,
VU Amster-
dam, Department of Social & Organizational Psychology