Immobilienwirtschaft 2/2016 - page 28

28
INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
PFLEGEIMMOBILIEN
ÜBLICHES SCHEMA
Üblicherweise folgt die
Standortwahl einem Schema aus unter-
schiedlichen Analysen. Im ersten Schritt
erfolgt die Durchführung einer Mikro-
und Makrostandortuntersuchung plus
Wettbewerbsanalyse, darauf folgend wird
die Bedarfssituation am Standort unter-
sucht. Dann erfolgt in aller Regel ein Blick
in die Bedarfsplanungen der Kommunen,
welche zur Vorhaltung einer angemes-
senen Pflegestruktur verpflichtet sind.
Untersuchungen haben jedoch erge-
ben, dass die öffentlichen Bedarfsberech-
nungen aus Investorensicht häufig sehr
unverständlich aufgebaut sind oder dass
Rechenfaktoren nicht nachvollzogen wer-
den können.
Auch werden teilweise zukunfts-
trächtige Versorgungsformen, wie die
Kurz- oder Nachtpflege, kaum oder nur
rudimentär berücksichtigt. Anstelle eines
alleinigen Vertrauens des Entwicklers auf
die Bedarfsberechnungen der Kommunen
sollte demzufolge lieber eine Verknüpfung
der Standortanalyse mit einer eigens er-
stellten Bedarfsberechnung erfolgen, mit
deren Hilfe Berechnungen nachvollzogen
werden und detaillierte Planungen erfol-
gen können.
EXCELTOOLS ALS LÖSUNG
Die Lösung kön-
nen dabei multifunktionale Exceltools
sein, welchemittels einfacher Rechnungen
den genauen Platzbedarf nach Versor-
gungsart ermitteln, bei Bedarf für die
Zukunft fortschreiben und in Kombina-
tion mit einem Standortscoring zugleich
Bewertungstool sein können.
Mittelpunkt des im Zuge der Ma-
sterarbeit entwickelten Modells ist eine
Weiterführung des so genannten Indika-
torenmodells der Bedarfsberechnung, das
1995 von Prof. GerhardNaegele, Instituts-
direktor der Forschungsgesellschaft für
Gerontologie an der TUDortmund, zuerst
inNordrhein-Westfalen verwendet wurde
und heute noch von verschiedenen Kom-
E
s gibt immer mehr alte Menschen in
Deutschland.“ Mit diesem Slogan lo-
cken Anbieter verstärkt Investoren auf
den Pflegemarkt. Und tatsächlich: Die De-
mografie scheint demMarkt in die Hände
zu spielen. Bis 2030 werden gemäß der ak-
tuellen Pflegestatistik 321.000 zusätzliche
Pflegeplätze benötigt. Ein Mekka also für
Anleger und Projektentwickler? Es scheint
fast so. Aber welche Faktoren fixieren eine
erfolgreiche Projektentwicklung für Pfle-
geimmobilien? Steht und fällt das Projekt
doch mit dem Standort, der Ausstattung
und nicht zuletzt mit dem idealen Betrei-
ber.
Wichtigster Erfolgsfaktor ist jedoch
die allgemeine Bedarfssituation amStand-
ort. Diese sollte jeder potenzielle Projekt-
entwickler vorab prüfen und sich erst
dann in das Abenteuer „Projektentwick-
lung für Pflegeimmobilien“ stürzen. Im
Rahmen einer Masterarbeit wurde diese
Thematik umfassend untersucht und ein
Weg gefunden, den Schlüsselfaktor „Be-
darfsplanung“ bereits bei der Standortaus-
wahl erfolgreich zu nutzen.
BEDARF IST NICHT GLEICH BEDARF
Wich-
tige Komponente ist die Erkenntnis, dass
seit dem Einsetzen des demografischen
Wandels Bedarf nicht immer gleich Bedarf
meint, sondern vielmehr eine Differenzie-
rung der Platzbedarfe in verschiedenste
Versorgungsformen, auch und vor allem
indie so genannten „neuen“Wohnformen.
Der demografische Wandel impliziert
nicht nur einWachstumder Pflegebedürf-
tigen, sondern bedingt durch den medi-
zinischen Fortschritt auch eine weitaus
fittere Generationmit gereifterenAnsprü-
chen an ihr altengerechtes „Heim“. Ebenso
spielen Faktorenwie die zunehmende An-
zahl Demenzerkrankter, Personalmangel
oder aber auch die wachsende Anzahl
an Mitbürgern nichtdeutscher Herkunft
eine tragende Rolle bei der Planung eines
Pflegeheims.
„Immer mehr Ältere“ –
das trügerische Argument
Pflegeimmobilien: Wich-
tigster Faktor für eine
erfolgreiche Projektent-
wicklung ist die allgemeine
Bedarfssituation am Stand-
ort. Ein neues Tool soll hier-
für bessere Möglichkeiten
schaffen.
AUTORIN
Felicitas Thormann
ist Sachverständige
für Immobilienbewer-
tung und derzeit im
Grundstücksverkehr
tätig. Ihre Master-
arbeit entstand im
Studiengang Immobi-
lienmanagement der
HAWK Holzminden.
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...76
Powered by FlippingBook