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3|2017
Partnerin die NSC GmbH aus dem sächsischen
Lichtenstein ins Boot. Sie ist eine Tochtergesell-
schaft der ACX GmbH und hat das Gebäudeauto-
matisationssystem ViciOne entwickelt. Bei der
Planung, erläutert Produktmanager Frank Brylok,
„lag der Schwerpunkt darauf, dass die Bedienung
der Wohnungen problemlos wie gewohnt über
die im Raum befindlichen Schaltstellen erfolgen
kann“. Das Licht schalten die Bewohner also ganz
normal über einen Taster ein, und auch die Hei-
zung können sie nach ihren Bedürfnissen regeln.
Ungewöhnlich ist dagegen der Kommen- und
Gehen-Taster neben der Wohnungstür. Drückt der
Mieter beim Betreten der Wohnung diesen Schal-
ter, wird er über einen Lautsprecher mit einem
freundlichen „Guten Tag“ begrüßt. Beim Verlas-
sen der Wohnung sorgt das Betätigen dafür, dass
Licht und Herd – sofern nicht schon geschehen
– ausgeschaltet werden. Sicherheit garantieren
auch die Leckage-Sensoren, die in Bad und Küche
eingebaut sind und im Fall der Fälle automatisch
die Wasserzufuhr absperren.
Die Temperatur in den Räumen lässt sich über
einen Dreifach-Taster regeln. Als Grundeinstel-
lung sind dabei drei Temperaturen (19.5, 21 und
23°C) gesetzt. Mieter, die sich bei einer anderen
Temperatur wohler fühlen, haben zwei Möglich-
keiten: Sie können den Hausmeister bitten, die
Temperatur nach ihren Wünschen einzustellen,
oder aber – sofern sie einen Tablet-PC haben – die
Temperatur selbst in 0,5°C-Schritten verändern.
Auch die anderen Funktionen in der Wohnung las-
sen sichwenn gewünscht über eine auf demTablet
installierte App steuern.
Für weiteren Komfort und zusätzliche Sicherheit
sorgen zudem Sensoren, die in allen Räumen an
der Decke eingebaut sind und die zahlreiche Funk-
tionen übernehmen. Merkt z. B. der Sensor, dass
sich Rauch entwickelt, warnt er den Bewohner
akustisch mit einem Piepton und schaltet zu-
dem in der gesamten Wohnung das Licht an. Und
wenn die Luftfeuchtigkeit eine Stunde lang bei
über 70% liegt, sagt eine automatische Stimme
so lange „Schimmelgefahr“, bis der Bewohner das
Fenster geöffnet und die Luftfeuchte wieder den
akzeptablen Bereich erreicht hat. Zudem nimmt
der Sensor wahr, wenn sich der Mieter längere Zeit
nicht bewegt. Reagiert der Bewohner dann nicht
auf die akustische Nachfrage, wird automatisch
eine E-Mail an Angehörige, Nachbarn oder einen
Pflegedienstleister verschickt.
Bei alledem steht der praktische Nutzen im Vor-
dergrund, wie Schwengfelder betont: „Es geht um
Dinge, die aus unserer Sicht zweckmäßig sind.“
Wichtig ist für ihn außerdem, dass die Bewohner
selbst entscheiden können, in welchem Ausmaß
sie die technische Assistenz beanspruchenwollen.
Die Nutzung des Kommen-und-Gehen-Schalters
ist genauso freiwillig wie die Aktivierung des Be-
wegungssensors.
Realisierung mit Partnern
In das gesamte Projekt – also die baulichen Maß-
nahmen und den Einbau der Technik – investierte
die WG Raschau rund 1,6 Mio. €, was bei einer
Wohnfläche von 1.130m
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einemAufwand von gut
1.400 €/m
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entspricht. Fördermittel wurden nicht
in Anspruch genommen. Unverzichtbar für die Re-
alisierung war laut Schwengfelder jedoch die Zu-
sammenarbeit mit Partnern, wobei die Volksbank
Chemnitz die Finanzierung übernahm. Finanziell
beteiligte sich auch der Energieversorger Envia
Mitteldeutsche Energie AG (enviaM): Er brachte
27.000 € auf und damit knapp die Hälfte der auf
60.000 € bezifferten Kosten für die AAL-Technik.
„Unser Anliegen als Energiedienstleister ist es,
Wohnraumaufzuwerten und so für Vermieter und
Mieter attraktiver zumachen“, begründet enviaM-
Pressesprecher Stefan Buscher das Engagement
seines Unternehmens. Dabei gehe es u. a. darum,
die Infrastruktur für AAL-Anwendungen bereitzu-
stellen. Das Projekt in Raschau bietet Buscher zu-
folge „einen idealen Rahmen, umauszuloten, wie
wir das Wohnen der Zukunft mitgestalten können:
Wir testen Assistenzsysteme, die für möglichst alle
Mieter einen Mehrwert bieten.“
Diesen Testcharakter unterstreicht auch Ge-
schäftsführer Schwengfelder: Ziel sei es, Erfah-
rungen zu sammeln, welche Anwendungen bei den
Mietern gut ankämen, und diese nachMöglichkeit
auf andere Häuser zu übertragen. Bei den Woh-
nungssuchenden kommt das Projekt auf jeden Fall
schonmal gut an: Bei Übergabe der Wohnungen zu
Beginn dieses Jahres war eine einzige der 18Woh-
nungen noch nicht vermietet. Dabei hat Schweng-
felder zahlreiche Neukunden gewonnen, die zum
Teil aus einem Umkreis von 20 km nach Raschau
gezogen sind. Das Altersspektrum reicht von 55
bis knapp 80 Jahre. Jüngere Mieter sind zwar im
Prinzip herzlich willkommen, konnten aber noch
nicht für das Wohnhaus der besonderen Art be-
geistert werden.
Die Kaltmiete beträgt 5,60 €/m
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, was im Erzge-
birge nicht wenig ist – die Durchschnittsmiete im
Bestand der WG Raschau liegt bei 4,70 €/m
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. Trotz
der moderaten Miete rechnet sich das Projekt auf
lange Sicht für das Wohnungsunternehmen, be-
tont der Geschäftsführer. Ein ähnlich ehrgeiziges
Nachfolgeprojekt ist allerdings nicht in Sicht:
„Eine so große Investition“, sagt Schwengfelder,
„werden wir so schnell nicht wieder tätigen.“
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
Nach einem Umbau verfügt das ehemalige Ledigenwohnheim über 18 moderne, schwellenfrei zugängliche und mit AAL-Technik ausgestattete Wohnungen
Quelle aller Fotos: Wohnungsgesellschaft Raschau mbH