wirtschaft + weiterbildung
04_2019
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Niels Gundermann
ist Vorstands-
vorsitzender des
Bundesverbands
Betriebliches
Gesundheitsma-
nagement e. V.
(BBGM).
Foto: BBGM
dem Label Burn-out gefasst werden. Und ein weiteres Pro
blem: Wir steuern durch diese Entwicklungen auf eine Art
Gesundheitsprekariat in den Unternehmen hin. Menschen,
die weniger Interesse an Fitness haben, werden von Unter-
nehmen, die nur auf die oben beschriebenen Trends set-
zen, immer weniger erreicht werden. In Anbetracht des
Fachkräftemangels eine fatale Situation.
Wie kann man als Unternehmen einer solchen
Entwicklung vorbeugen?
Gundermann:
Unternehmen müssten sich bereits jetzt
dringend dem generellen Grundverständnis, wie wir in
Zukunft langfristig leistungsfähig arbeiten können, wid-
men. Weg vom Thema reine Fitness und hin zu den The-
men der Unternehmenskultur. In die Kernbereiche der
Unternehmen, in Struktur und Strategie hineingehen und
das Thema Gesundheit und Leistungsfähigkeit viel stärker
damit verknüpfen. Wir müssen Motivation und Netzwerkka-
pital in den Fokus nehmen. Dann können auch Menschen
sehr, sehr leistungsfähig sein, die vielleicht nach den medi-
zinischen Kriterien der Gesundheit nicht an oberster Stelle
stehen.
Haben Sie Hoffnung, dass Gesundheitsmanagement
sich langfristig als Teil der Organisationsentwicklung
etablieren kann?
Gundermann:
Das hängt auch ein Stück weit mit der Stärke
und Schwäche des Bereichs HR zusammen. Gesundheits-
management hängt häufig am Tropf von HR – je stärker
sich HR oder der junge Performancebereich in Zukunft im
Unternehmen durchsetzen wird, desto stärker wird auch
das Thema Gesundheit strukturell eine Rolle spielen. Wobei
ich davon ausgehe, dass HR Gesundheit nicht als Neben-
schauplatz sieht, sondern tatsächlich in den Mittelpunkt
der Aktivitäten rückt.
Interview: Katharina Schmitt
bei ihrer betrieblichen Gesundheitsprä-
vention oft folgende drei Elemente mit-
einander: medizinischer Check-up, Infor-
mation über die gesundheitsrelevanten
Themen Ernährung, Bewegung, Stress/
Entspannung, Training eines gesundheits-
fördernden Verhaltens durch Gesund-
heitssport und Entspannungstechniken.
Pädagogischer „Dreischritt“
Unternehmen, die auf ein professionelles
Betriebliches Gesundheitswesen setzen,
praktizieren sozusagen einen „pädagogi-
schen“ Dreischritt:
• Ein medizinischer Check-up informiert
über die aktuellen, individuellen Ge-
sundheitsdaten und Risikofaktoren.
• Mediziner, Sport- und Ernährungswis-
senschaftler erläutern ihnen, was die
Daten bedeuten, wie sie aufgrund der
Körperreaktionen zustande kommen
und wie sie durch bewusste Ernährung,
Ausdauersport und Stressmanagement
positiv beeinflusst werden können.
• Die Teilnehmer üben unter fachlicher
Anleitung ein neues gesundheitsför-
derndes Verhalten.
Ein solches Präventionskonzept baut
folglich auf denselben Elementen auf, die
auch Voraussetzung für das Entfalten von
Kreativität sind:
• Eine adäquate geistige und körperliche
Verfassung (sie dokumentiert sich in
dem medizinischen Befund des Check-
ups),
• Kompetenz (sie entsteht durch das Ver-
mitteln von Wissen über gesundheits-
relevante Themen),
• Erfahrung (sie resultiert aus dem Trai-
nieren/Einüben eines gesundheitsför-
dernden Verhaltens).
Deshalb führt dieser Präventionsansatz
bei den Teilnehmern meist zu einem Aha-
Erlebnis, das oft zu einer Veränderung
ihres Verhaltens führt. Dieses Aha-Erleb-
nis entspricht dem Geistesblitz, den wir
oft nach langem Suchen nach kreativen
Lösungen plötzlich haben. Er entsteht
nicht zufällig; er ist das Ergebnis von
Kompetenz und Erfahrung, die sich unter
stimulierenden Rahmenbedingungen zu
einer neuen Erkenntnis verdichten.
Michael Treixler