Wirtschaft und Weiterbildung 4/2019 - page 54

messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
04_2019
nager von der HR-Abteilung verdonnert
würden. Laloux selbst begreift ein Unter-
nehmen als eine organische Struktur, die
sich durch Eigenverantwortung und Zu-
sammenwirken der Einzelelemente stän-
dig weiterentwickelt. Ein Beispiel für ein
solches organisches Verständnis ist laut
Laloux die niederländische Care-Organi-
sation „Buurtzorg“ bei der die Mitarbei-
ter selbstorganisiert in kleinen, lokalen
Teams arbeiten.
Vorbild Decathlon: Der Chef
arbeitet auch an der Basis mit
Doch wie kann man sich dieses neue
Verständnis von Arbeit und Organisation
aneignen und es mit Leben füllen? Laut
Laloux beginnt diese Reise bei einem
selbst und kreist um den Sinn der eigenen
Arbeit, der eigenen Organisation. Dabei
will er keine neuen Blaupausen anbie-
ten, dennoch gab er dem Publikum ein
paar Denkanstöße mit auf den Weg und
forderte zunächst zum Lesen auf: Man
könne vieles von anderen Unternehmen
lernen, wenn man begreife, wie diese
funktionierten. Außerdem solle man sich
als Führungskraft mit achtsamer Wahr-
nehmung unter die eigenen Mitarbeiter
begeben. Als Vorbild hierfür nannte er
Decathlons Vorstandsvorsitzenden Michel
Abella, der an einem Tag in der Woche in
einem Decathlon-Markt mitarbeite.
Zum Schluss kam Laloux auf das
„Warum“ einer Veränderung in Richtung
New Work zu sprechen. Der Weg zu einer
neuen Organisationsform und zu New
Work beginne in jedem Fall mit der Frage
nach dem eigentlichen Sinn und den tat-
sächlichen Bedürfnissen, die eine solche
Reise nötig erscheinen ließen.
Auf die Frage, welches Kapitel er in sei-
nem Buch „Reinventing Organizations“
heute anders schreiben würde, antwortet
Laloux, er halte alles, was er geschrie-
ben habe, immer noch für sehr robust,
ergänzt aber einen Aspekt, den er nach
eigenem Bekunden wohl viel zu wenig
berücksichtigt habe: Auch kulturelle Vor-
stellungen, Geschlechterrollen, Klassen-
zugehörigkeit oder Ethnien könnten Ein-
fluss auf die Machtverhältnisse in einer
Organisation haben. In diesem Kontext
meinte Laloux, er habe seine eigene Rolle
als „weißer Mann“ noch zu wenig reflek-
tiert.
New Work steht auch für
„radikale Demokratisierung“
Neben Frédéric Laloux traten noch Ri-
cardo Semler (Semco Partners) und
weitere Redner auf wie Gerald Hüther
(Neurobiologe), Kathrin Menges (Hen-
kel), Simone Menne, Joschka Fischer
und Sascha Lobo. Der diesjährige NWX-
Kongress setzte so auch auf eine globale
Perspektive, zu der insbesondere der
brasilianische Unternehmer Ricardo Sem-
ler, ehemaliger CEO des Unternehmens
Semco, gehörte. Semco wurde schon vor
Jahren durch eine radikale Demokratisie-
rung bekannt. Semler selbst gilt weltweit
als anerkannter Verfechter für mehr Mit-
arbeiterverantwortung in Unternehmen
und spricht sich für ein Umdenken in den
Führungsetagen aus.
Kaum zu glauben, dass Laloux schon Vor-
denker hatte, aber man kann ohne jeden
Am Ende des Kongresses NWX19 rief die
Poetry Slammerin Dominique Macri den
Teilnehmern begeistert zu: „Wir sind wie
2.000 Teilchen einer großen Bewegung,
die berührt und gespannt auf die Reise
gehen. Die Zukunft der Arbeit, die Zu-
kunft des Lernens, wird anders!“ und
nach einer kurzen Pause ergänzte sie:
„Geht da raus, habt Vertrauen, um mit of-
fenem Herzen diese Welt zu verändern.“
Stargast des Tages war der belgische Or-
ganisationsentwickler Frédéric Laloux,
der auf der NWX einen seiner seltenen
öffentlichen Auftritte absolvierte. Mit sei-
nem Buch „Reinventing Organizations:
Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiften-
der Formen der Zusammenarbeit“ schrieb
er eines der wichtigsten Standardwerke
über modernes Management und innova-
tive Führung. Sein Modell liefert ausge-
fallene Denkanstöße, um Organisationen
zu transformieren und Hierarchien abzu-
bauen.
Laloux distanzierte sich bei seinem Auf-
tritt von einem Verständnis, das New
Work nur als Werkzeugkasten mit ver-
schiedenen Tools zur agilen, flexiblen
oder innovativen Zusammenarbeit be-
greift. Für Laloux ist New Work vielmehr
eine Haltung und ein neues Weltbild. Ein
Weltbild, in dem Unternehmen und Or-
ganisationen nicht mehr als Maschinen
wahrgenommen und nicht mehr nach
Funktionalität und Effektivität beurteilt
werden. Im klassischen Management
zeige sich dieses technische Verständnis
schon an der Sprache – zum Beispiel in
Begriffen wie „Input“, „Output“ oder
„Blaupause“ oder gar im Begriff des „Bo-
xenstopps“, zu dem überarbeitete Ma-
„Zuerst der Kulturwandel,
dann die Tools“
XING.
Am 7. März veranstaltete das Karrierenetzwerk Xing zum dritten Mal den Kongress
„New Work Experience“ (NWX19). Stargast war diesmal der Berater Frédéric Laloux
(„Reinventing Organisations“). Er erklärte, dass die New-Work-Idee nur durch einen von
„oben“ gewollten Kulturwandel und nicht nur durch den Gebrauch neuer Tools verwirklicht
werden könne.
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