wirtschaft und weiterbildung 1/2017 - page 56

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wirtschaft + weiterbildung
01_2017
der PC und der Laptop und es entstand
ein neuer Markt. Der nächste Schritt war
dann das Smartphone.
Wenn es um disruptive Unternehmen
geht, werden stets Uber und Airbnb
genannt. Sind das auch für Sie
Vorzeigebeispiele?
Christensen:
Nein! Uber hat die Art, wie
Taxis arbeiten, verändert. Die Firma hat
keine Autos und keine Fahrer und damit
keine Fixkosten. Genauso wie Airbnb
keine Hotels und kein Personal hat. Ihr
Geschäftsmodell besteht darin, die vor-
handenen Ressourcen anders zu nutzen.
Aber das ist keine disruptive, sondern
eine erhaltende oder inkrementelle Inno-
vation.
Sie unterscheiden also verschiedene
Arten von Innovation?
Christensen:
Man muss drei Arten von
Innovation unterscheiden. Einmal die Ef-
fizienz-Innovation. Man verbessert zum
Beispiel die Produktion oder den Vertrieb
und erreicht damit mehr mit weniger Auf-
wand. Der zweite Typ ist die erhaltende
oder auch inkrementelle Innovation. Man
hat ein gutes Produkt und macht es noch
besser. Man produziert zum Beispiel ein
besseres Auto. Das Problem ist, dass man
damit nur das alte Produkt durch ein
neues Produkt ersetzt. Das bringt aber
kein Wachstum. Bei diesen beiden Inno-
vationsformen sind die deutschen Unter-
nehmen sehr gut. Und dann gibt es die
disruptive Innovation. Sie transformiert
ein Produkt, das bisher sehr kompliziert
und teuer war und macht es einfacher
und billiger, sodass es sich mehr und
neue Kunden leisten können. Nur diese
Form von Innovation führt zu echtem
Wachstum. In Deutschland sehe ich da
aber bisher kaum etwas.
Wie sollen Taxianbieter und Hotels auf
ihre neuen Wettbewerber reagieren?
Christensen:
Das Einzige, was sie tun
könnten, wäre Uber zu kaufen und es
anders zu managen. Taxianbieter kön-
nen mit diesem Modell nicht mithalten.
Das macht keinen Sinn. Sie sollten daher
so lange wie möglich weitermachen. Es
wäre unsinnig, mit dem traditionellen
Modell aufzuhören, solange es noch
funktioniert. Aber natürlich können sie
es besser machen. Die Alternative wäre,
etwas ganz Neues zu starten. Aber ein
neues Geschäftsmodell innerhalb des
alten Geschäftsmodells aufzubauen, ist
keine gute Idee.
Die oftmals verbreitete Panik, dass man
schnell reagieren muss, weil man sonst
untergeht, ist also übertrieben?
Christensen:
Etablierte Firmen sollen
auf Disruption reagieren, wenn sie auf-
tritt. Aber sie sollten nicht überreagieren,
indem sie ihr profitables Geschäft aufge-
ben. Stattdessen sollten sie ihre Beziehun-
gen zu ihren wichtigsten Kunden stärken
und in erhaltende Innovationen investie-
ren. Zudem können sie neue Geschäfts-
einheiten schaffen, die sich nur auf die
Wachstumschancen von Disruption kon-
zentrieren. Unsere Forschung zeigt, dass
der Erfolg dieser Einheiten aber stark
davon abhängt, dass sie getrennt vom
Sie bedauern es, dass der von Ihnen
geprägte Begriff der „disruptiven
Innovation“ meist falsch benutzt wird …
Clayton Christensen:
Ja! Viele haben das
Konzept nicht richtig verstanden. Dabei
wäre gut, wenn es mehr disruptive Inno-
vationen gäbe. Denn das ist die einzige
Innovation, die das Wachstum bringt, das
wir so dringend benötigen.
Was macht disruptive Innovation genau
aus?
Christensen:
Disruption beschreibt einen
Prozess, bei dem ein kleines Unterneh-
men oft mit geringen Ressourcen ein er-
folgreiches etabliertes Geschäft herausfor-
dert. Denn in der Regel fokussieren sich
etablierte Firmen auf die Verbesserungen
ihrer Produkte und Dienstleistungen für
ihre lukrativsten Kunden und vernach-
lässigen dabei andere Kundensegmente.
Genau dort beginnen dann die disrupti-
ven Unternehmen. Sie bieten einfachere
Produkte meist zu einem geringeren Preis
an. Weil sich die etablierten Firmen vor-
rangig mit der besseren Profitabilität in
den lukrativen Segmenten beschäftigen,
beachten sie das oft nicht. Die disrupti-
ven Unternehmen arbeiten sich dann
langsam hoch und liefern das, was der
Großteil der Kunden möchte. Diese neh-
men nach und nach die neuen Angebote
an und damit passiert Disruption. Es gibt
aber auch disruptive Firmen, die neue
Märkte schaffen, die bisher nicht existiert
haben. Nehmen sie den Computer. Zu-
nächst waren die Mainframe-Computer
so teuer, dass sich selbst Universitäten
nur einen leisten konnten. Dann kam
Disruption: Das große
Missverständnis
GLOBAL DRUCKER FORUM II.
Harvard-Professor Clayton Christensen
gilt als der Erfinder der Theorie der „disruptiven Innovation“. Heute
wird kaum ein Begriff häufiger und dabei meist falsch genutzt.
Unsere Autorin Bärbel Schwertfeger traf den Managementexperten
auf dem Global Drucker Forum in Wien.
Foto: Drucker Society
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