wirtschaft und weiterbildung 1/2017 - page 51

wirtschaft + weiterbildung
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sondern vielmehr um die Erkenntnis,
dass kreative Ideen entwickelt werden,
um den Test im E-Learning-Modul auf
möglichst effiziente Weise zu bestehen.
Mit Wissensaufbau oder gar Kompetenz-
entwicklung hat das dann rein gar nichts
mehr zu tun. Wenn E-Learning die Selbst-
bestimmtheit in den Vordergrund stellt
und keine Vorgaben bezüglich Ort und
Zeit macht beziehungsweise die nötige
Binnendifferenzierung bedingt durch das
unterschiedliche Vorwissen leistet, dann
bringt es die idealen Voraussetzungen
für das informelle Lernen mit. Ein wei-
teres wesentliches Merkmal informellen
E-Learnings ist der freie Zugang zu den
Informations- und Lernangeboten. Dieser
ermöglicht einen einfachen und unkom-
plizierten, vor allen Dingen aber schnel-
len Zugang zu den Informations- und
Lernangeboten, die der Lernende zur Lö-
sung eines aktuellen Problems benötigt.
Ein gutes Beispiel dafür findet man in den
offenen Lernportalen der Miele Vertriebs-
d Schweiz
ie Verkäufer des
Handels finden hier ein umfangreiches
Angebot an E-Learning-Modulen zu allen
Miele-Hausgeräten. Eine konsequente
Weiterentwicklung des informellen E-
Learnings stellt das Thema „Mobile Lear-
ning“ dar. In den oben genannten offenen
Lernportalen finden die Lernenden zu-
sätzlich zum E-Learning-Angebot tablet­
optimierte mobile Lernmodule. Neben
dem – durch die Nutzung mobiler Endge-
räte charakteristischen – orts- und zeitun-
abhängigen Zugang zu dem Bildungsan-
gebot gibt es einen weiteren Vorteil: Mo-
bile Learning passt sich an den Nutzer,
den Ort und die Umgebung an und kann
somit für eine nahtlose Kombination ver-
schiedener Lernorte mithilfe mobiler End-
geräte und drahtloser Netze sorgen. Dabei
ist allerdings zu beachten, dass Mobile
Learning durch didaktische, gestalteri-
sche und technische Unterschiede zum
„normalen“ E-Learning gekennzeichnet
ist. Mobile-Learning-Inhalte müssen so
gestaltet werden, dass sie der Größe der
mobilen Bildschirme und der Bedienung
durch die Finger gerecht werden. Das ver-
ändert die Menge Text auf der Seite und
die Komplexität der Interaktionen erheb-
lich. Nicht alles, was für den Desktop-PC
oder Laptop entwickelt wurde, eignet sich
für mobiles Lernen. Ebenso sind die tech-
nischen Gegebenheiten zu beachten. Was
auf dem Desktop-Browser perfekt klappt
oder mit den Standardbetriebssystemen
und einer ständigen Onlineverbindung
eine Selbstverständlichkeit ist, muss nicht
unbedingt mit Android oder IOS funktio-
nieren. Wenn diese Voraussetzungen aber
abgeklärt und beachtet sind, bietet das
mobile Lernen neue didaktische Möglich-
keiten. Durch seinen niedrigschwelligen
Zugang, der in fast jeder Situation erfol-
gen kann, ist ein situatives und kontextu-
alisiertes Lernen realisiert und damit ein
bedarfsorientiertes Lernen aus aktuellem
Anlass. Mobile Learning scheint damit
das einzulösen, was E-Learning verspro-
chen hatte. Die Selbstverständlichkeit
des Lernens nimmt zu, ganz im Sinne
des lebenslangen Lernens. Die Grenzen
zwischen Arbeits- und Lernprozess ver-
wischen, weil bestenfalls Lernen Teil des
Arbeitsprozesses wird beziehungsweise
Arbeiten aus dem Lernprozess heraus ge-
startet wird.
Fazit: offen, attraktiv, sozial
Informelles E-Learning und informelles
Mobile Learning deckt einen großen Teil
des Spektrums informellen Lernens ab.
Es kann sowohl individuell am Arbeits-
platz als auch kooperativ im Rahmen pro-
fessioneller Netzwerke oder in privaten
Communities erfolgen. Didaktisch bietet
es neue Wege an, da die Motivation, wie
bei informellem Lernen üblich, vom Ler-
nenden ausgeht. Es ist gleichermaßen ein
Learning on Demand wie ein lernortbe-
zogenes Lernen. Dort wo und dann wann
die Lust zu lernen aufkommt, kann sie
auch befriedigt werden.
Informelles E-Learning und Mobile Lear-
ning bietet sich für eine Vielzahl von The-
men an, indem es bewusst einen ande-
ren Weg als das formale Lernen geht. Die
häufig anzutreffende geringe Nutzung
formaler E-Learning-Szenarien, wenn
sie nicht verpflichtend sind, lassen sich
durch die Niedrigschwelligkeit, Arbeits-
prozessintegration und die Verankerung
in einer breiten Nutzerschaft von infor-
mellem E-Learning beziehungsweise Mo-
bile Learning überwinden. Wo in einem
formalen Lernprozess das mangelnde
Vertrauen in die Selbstlernkompetenz der
Lernenden durch Kontrolle ersetzt wird,
setzen informelle Lernszenarien auf die
Motivation und Neugier der Lernenden
durch offene, einfache Zugänge (oft auch
ohne Passwort), die Attraktivität der
Lernmedien (WBTs) und die Verankerung
in einem sozialen Prozess, der das Lernen
begleitet. Wenn zum Beispiel die Portale
der Miele-Medien für alle Mitarbeiter
leicht zugänglich sind, dann entziehen
sich nur noch wenige dem Produktwis-
sen, das zugleich Teil der kollegialen Ge-
spräche sein kann.
Steffan Ritzenhoff, Hermann Ortmeyer
Formales Lernen
Informelles Lernen
Lernorte in Bildungszentren, Schulen
Lernen in Arbeits- und Lebenswelten
organisiert und strukturiert
unsystematisch, zufällig
Vermittlung curricular vorgegebener, auf ein
Ergebnis angelegter Lerninhalte
beiläufiges Lernen, Lernergebnis wird oft
nicht bewusst angestrebt
Vermittlung von (Theorie-)Wissen als meist
reduziertes, wissenschaftliches Wissen
Erwerb von Erfahrungswissen durch Refle-
xion des in Handlungen Erfahrenen
pädagogisch-professionelle Begleitung der
Lernprozesse
gegebenenfalls Moderation von Reflexions-
prozessen
vorwiegend fremdbestimmt
vorwiegend selbstbestimmt
Formales versus informelles Lernen
Überblick.
Die Gegenüberstellung fasst die Merkmale formalen
und informellen Lernens im beruflichen Kontext zusammen.
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