wirtschaft und weiterbildung 1/2017 - page 47

wirtschaft + weiterbildung
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Kontrollraum.
Die Publikumsreaktionen auf
einen Referenten beinflussen unmittelbar
dessen „Unterrichtsgestaltung“.
Martin Boehm.
Der Dean of Programs an der IE Business School in
Madrid ist stolz auf seinen neuen „virtuellen Hörsaal“.
Video-Zusammenarbeit bei Verbindun-
gen mit geringer Bandbreite möglich.
Die Hardware umfasst zwei taktile Bild-
schirme und Kameras für die Aufnahme
und Bearbeitung von Unterrichtsstunden
in Echtzeit. Eingesetzt werden Computer
der neuesten Generation, Sync-RTC-Ser-
ver, Roboter und holografische Projekto-
ren. Künstliche Intelligenz und eine Big-
Data-Analyse ermöglichen den Professo-
ren auch, die Wirkung ihres Unterrichts
direkt zu überprüfen und gegebenenfalls
zu verbessern. „So kann ich testen, was
am besten funktioniert und wie sich die
Aufmerksamkeit entwickelt“, sagt Pro-
fessor Boehm. Lacht überhaupt jemand,
wenn ich einen Witz mache? Kommt
mein Beispiel bei allen gut an? Oder ver-
stehen es nur die Teilnehmer, die bereits
Vorerfahrungen auf dem Gebiet haben?
Wäre es vielleicht gut, an einer Stelle ein
Video oder eine Diskussion einzubauen?
„Bei 90 Minuten Unterricht mit 48 Teil-
nehmern und sechs gemessenen Emoti-
onen habe jeder Professor extrem viele
Daten, die er nutzen könne, um seinen
Unterricht besser zu machen, so der IE-
Professor.
Vergleichbare Projekte an anderen Busi-
ness Schools kennt Boehm nicht. Die Ein-
zige, die etwas Ähnliches machte, sei die
Harvard Business School mit HBX, aber
dahinter stehe eine andere Technologie
und Zielsetzung. Dort habe man ein auf-
wendiges TV-Studio aufgebaut, wo Pro-
fessoren ihre Fallstudien – die Hauptlehr-
methode in Harvard – präsentieren.
Die IE Business School gilt nicht nur als
eine der führenden Business Schools der
Welt und schneidet in den wichtigsten
Rankings regelmäßig gut ab, sie hat sich
auch die Themen Innovation und Entre-
preneurship auf die Fahnen geschrieben
und überrascht immer wieder mit inno-
vativen Ansätzen. Sie wurde 1973 als un-
abhängige, gemeinnützige private Hoch-
schule in Madrid gegründet. Seit 2009
ist sie Teil der IE University in Segovia.
Angeboten werden zahlreiche Master-
und MBA-Programme auf Spanisch und
Englisch, wobei die englischsprachigen
Studiengänge inzwischen dominieren.
Zukunftstraum: Der Professor
als Hologramm
Eingesetzt werden soll der neue WOW-
Room zunächst beim „Global Executive
MBA“ als Teil des bisherigen Online-
Unterrichts. Der 15-monatige Studien-
gang wendet sich an Führungskräfte mit
mindestens zehn Jahren Berufserfahrung
und umfasst insgesamt nur fünf Präsenz-
phasen: zwei Wochen in Madrid und drei
Wochen in Asien und Nord- und Südame-
rika. Der Rest läuft online. Einmal in der
Woche gibt es Live-Unterricht, unter der
Woche müssen die Studenten Beiträge
zu den Foren schreiben und mit ihrem
Team Aufgaben bearbeiten. Bisher lief
das Programm über „Adobe Connect“,
wo der Professor vor zwei Bildschirmen
saß, wobei er auf einem einige Teilneh-
mer sah, auf dem anderen Präsentationen
oder Chats.
Künftig soll die Hälfte des Online-Unter-
richts beim „Global Executive MBA“ im
neuen WOW-Room ablaufen. „Wir wol-
len, dass die Teilnehmer einen Vergleich
haben“, betont Professor Boehm. Da es
bisher kein vergleichbares Klassenzim-
mer gebe, müsse man erst herausfinden,
was wie am besten funktioniere. Nach
und nach soll das neue Klassenzimmer
dann auch bei anderen Programmen ein-
gesetzt werden. Mit ihrem 2001 erstmals
gestarteten Global MBA war die spani-
sche Schule nicht nur Vorreiter bei den
Online-Studiengängen, ihr Programm
wurde 2016 auch bereits zum dritten Mal
im Ranking der Financial Times zum
weltweit besten Online-MBA gekürt.
Trotzdem investiert die Schule in weitere
Innovationen, um auch künftig im hart
umkämpften Markt die Nase vorn zu
haben. Die Technologie ermögliche eine
stärker personalisierte Ausbildung und
auch die Rolle der Professoren werde
sich verändern, sagt Santiago Iñiguez de
Onzoño, Dekan der IE Business School.
Das werde auch den Wettbewerb der
Schulen untereinander weiter erhöhen.
25 Millionen Euro habe die Schule in den
letzten 15 Jahren in innovative Lernpro-
jekte investiert, erklärte Diego Alcázar
Benjumea, Vizepräsident der IE Business
School. Rund eine halbe Million Euro
kostete der neue WOW-Room. Im nächs-
ten Schritt müssen die Professoren nicht
mehr physisch präsent sein, sondern wer-
den als Hologramme in den Raum pro-
jiziert und von einem Roboter bewegt,
um mit den Studenten zu interagieren.
Zudem arbeitet man am Einsatz von
Virtual-Reality-Brillen, mit deren Hilfe die
auf der ganzen Welt verstreuten Teilneh-
mer dann das Gefühl haben, neben ihren
Mitstudenten zu sitzen – ganz wie im re-
alen Klassenzimmer.
Bärbel Schwertfeger
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