wirtschaft und weiterbildung 1/2017 - page 39

wirtschaft + weiterbildung
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… wenn schwankende Umfeldbedingun-
gen ständige Strukturänderungen der
Organisation nach sich ziehen,
… wenn schnelllebige Projekte ständige
Wechsel der zusammenarbeitenden
Teams bedingen.
Bei jedem Menschen existieren außerhalb
des Arbeitsumfelds weitere Stressoren,
die auf die psychische Stabilität einwir-
ken. Grob können wir sie unterteilen in
Alltagsstressoren, kritische Lebensereig-
nisse und traumatische Erfahrungen.
Bei den Alltagsstressoren geht es oft um
interpersonelle Beziehungen, die Verlet-
zungen, Enttäuschungen und Konflikte
schaffen – im privaten wie im berufli-
chen Kontext. Auch ständiger Zeitdruck,
der Spagat zwischen Job und Familie
oder Geldsorgen sorgen für „Sand im Ge-
triebe“. Als kritische Lebensereignisse be-
zeichnet man einschneidende Erlebnisse
wie eine Trennung, einen Jobwechsel,
einen Unfall oder eine Krankheit. Trau-
matische Erfahrungen schließlich sind
Extremerfahrungen, die mit einer Lebens-
bedrohung oder Bedrohung der körper-
lichen Unversehrtheit einhergehen und
die die subjektive Bewältigungsfähigkeit
der Person überfordern. Traumatische Er-
fahrungen rufen meist so tief gehendes
psychisches Leiden hervor, dass sie thera-
peutisch behandelt werden sollten.
Schon die Alltagsstressoren und kritische
Lebensereignisse belasten die Psyche
zum Teil stark und können zu andauern-
der Überlastung und letztendlich sogar
zum Burn-out führen. Coaching kann
einen wichtigen Beitrag dazu leisten,
Leistungsträger in Organisationen stabil
zu halten. Einerseits kann der Einzelne
im Coaching Ansatzpunkte finden, um
mit belastenden Situationen umgehen
zu lernen. Wer die eigenen Ressourcen
kennt und zu mobilisieren weiß, steht der
Zukunft gelassener gegenüber. Coaching
kann so präventiv eingesetzt werden, um
Mitarbeiter und Führungskräfte gesund
und psychisch stark zu halten. Anderer-
seits ist Coaching auch bei der Bewälti-
gung akuter kritischer Situationen eine
hilfreiche Intervention.
In erster Linie wird durch das Coaching
eine Stabilisierung erreicht, sodass der
Coachee wieder in Balance kommt. Im
zweiten Schritt folgen die Regeneration
und das Lernen aus der Erfahrung. Der
Fokus liegt daher auf dem postkritischen
Wachstum. Die Lernerfahrungen aus der
Krisensituation sollen im Idealfall dauer-
haft genutzt und umgesetzt werden.
Was genau ist Resilienz?
Die Fähigkeit, (individuell als solche er-
lebte) Rückschläge ohne persönlichen
Schaden zu verkraften, sich schnell wie-
der davon zu erholen und im Folgenden
durch die Krisenerlebnisse sogar eine per-
sönliche Entwicklung durchzumachen:
Das ist Resilienz. Der Begriff bedeutet die
Fähigkeit von Mensch und Unternehmen,
durch situationselastische Qualitäten mit
Herausforderungen erfolgreich umzu-
gehen, ohne dabei Schaden zu nehmen
– und sogar daran zu wachsen. Dabei
fängt Resilienz nicht dann an, wenn die
Krise bereits da ist: Resiliente Menschen
sind achtsam in Bezug auf ihre Umwelt
und Bewegungen im System, sie nehmen
frühzeitig Warnzeichen wahr. Dadurch
erweitert sich ihr Reaktionszeitraum für
die Vorbereitung auf eine Krise und sie
können sie vielleicht noch abfedern.
Resilienz-Coaching als spezielle Form
des Coachings mit dem Fokus auf Resi-
lienz ist ein wirkungsvolles Instrument
bei Krisenerleben, Krisenerwartung und
Krisenbewältigung. Der Coachee erar-
beitet sich Handlungsoptionen, um mit
Krisen umgehen zu können und flexibel
reagieren zu lernen. Keineswegs geht es
dabei darum, bei Mitarbeitern und Füh-
rungskräften einen „Teflon-Effekt“ her-
vorzurufen. Resilienz bedeutet in erster
Linie, bei Belastungen und Krisen auf
Ressourcen zurückgreifen zu können, um
schnell wieder in die Senkrechte zu kom-
men. Wer jedoch versucht, Belastungen
kontinuierlich an sich abperlen zu lassen,
ohne sich mit der Bedeutung für die ei-
gene Gesundheit auseinanderzusetzen,
der betreibt auf die Dauer Raubbau an
Körper und Psyche.
Ob eine Situation persönlich als Krise
erlebt wird, hängt viel mit der eigenen
Bewertung der Situation zusammen. Da
spielt es oft eine zentrale Rolle, wie das
Prof. Dr. Jutta
Heller,
Nürnberg,
ist
Expertin für indi-
viduelle und orga-
nisationale Resilienz. Sie ist Auto-
rin („Resilienz – innere Stärke für
Führungskräfte“, Verlag Orell Füssli,
Zürich 2015), Rednerin und als syste-
mische Beraterin und Business Coach
aktiv. Neben ihrer selbstständigen
Beratungstätigkeit ist sie Professorin
für „Training & Business Coaching“
an der Hochschule für angewandtes
Management in Erding. Dort orga-
nisiert sie den jährlichen Coaching-
Kongress.
Prof. Dr. Jutta Heller
Neuwerk 4
D- 90547 Stein bei Nürnberg
Tel. 0911 27861770
AUTORIN
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