wirtschaft und weiterbildung 1/2017 - page 36

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
01_2017
habe ich beobachtet, dass genau solche
Führungskräfte sehr erfolgreich waren.
Das hat mich fasziniert. Aber ich habe
keine Forschung dazu gefunden. Einen
Aha-Effekt hatte ich dann, als ich mir die
Forschung zum Thema Self-Monitoring
(also zu sozialer Anpassungsfähigkeit)
angeschaut habe. Menschen, bei denen
diese stark ausgeprägt ist, haben einen
hohen Reflexionsgrad über sich selbst
und passen sich geschickt dem sozialen
Umfeld in Organisationen an. Das spült
sie dann quasi nach oben.
Aber soziale Anpassungsfähigkeit ist
doch etwas anderes als Paranoia?
Van Quaquebeke:
Das sind im Grunde ge-
nommen zwei Facetten derselben Fähig-
keit. Nur hat der sozial Anpassungsfähige
ein freundliches Menschenbild, der Para-
noide dagegen ein negatives Menschen-
bild. Er interpretiert die Dinge anders.
Denn er geht immer vom Schlimmsten
aus und beobachtet deshalb alles sehr
genau. Paranoide Menschen sind daher
extrem anpassungsfähig, richten ihr
Fähnchen schnell nach dem Wind aus,
sichern sich gegen Feinde ab oder gehen
neue Koalitionen ein. In meiner Studie
habe ich denn auch entsprechend gefun-
den, dass eine mangelnde soziale Anpas-
sungsfähigkeit durch eine paranoide Per-
sönlichkeitsstruktur kompensiert werden
kann, wobei wir hier immer von einer
subklinischen, also milden Form der Pa-
ranoia sprechen.
Wie definieren Sie Paranoia?
Van Quaquebeke:
In der klinischen Psy-
chologie ist Paranoia ein seit Langem
bekanntes Störungsbild, das gekenn-
zeichnet ist durch ein lang anhaltendes
und durchdringendes Misstrauen ande-
ren gegenüber. Laut WHO müssen für
eine Diagnose der paranoiden Persönlich-
keitsstörung drei von sieben Merkmalen
zutreffen. Dazu gehören eine hohe Sen-
sitivität gegenüber Zurückweisungen,
ein ständiger Groll auf andere sowie eine
andauernde Beschäftigung mit unbegrün-
In Ihrer Studie haben Sie den
Zusammenhang von paranoidem
Denken und Karriereerfolg untersucht.
Wie sind Sie darauf gekommen?
Dr. Niels Van Quaquebeke:
Das waren
zunächst einmal persönliche Erlebnisse.
Ich habe mich manchmal gefragt, wie es
sein kann, dass eine Führungskraft aus-
gesprochen paranoid agiert. Aber dann
Aufstieg dank Paranoia?
FORSCHUNG.
„Paranoides Denken fördert den beruflichen Aufstieg“, behauptet eine
Studie von Niels Van Quaquebeke, Professor für Leadership und Organizational Behavior
an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg. Im Interview erklärt der Psychologe,
warum ein großes Misstrauen und eine hohe soziale Anpassungsfähigkeit karrierefördernd
sein können.
Foto: KLU
Niels Van Quaquebeke.
Der
Wissenschaftler lehrt und
forscht an der Kühne Logistics
University in Hamburg.
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