wirtschaft und weiterbildung 2/2017 - page 48

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
02_2017
Entsprechendes gilt für die berufliche
Weiterbildung in den Unternehmen. Sie
ist heute viel weniger an einer langfristi-
gen Kompetenzentwicklung orientiert als
noch vor einem Jahrzehnt oder gar zur
Jahrtausendwende. Sie fokussiert sich
heute weitgehend darauf, akute Kompe-
tenzdefizite zu beheben, die sich zum
Beispiel aus dem Einführen neuer Tech-
nologien, dem Verändern von Abläufen
und Prozessen in der Organisation oder
aus allgemeinen Marktveränderungen er-
geben.
Langfristige PE-Planung hat
sich überholt
In der sogenannten VUCA-Welt (Volati-
lity, Uncertainty, Complexity, Ambigu-
ity) von heute können Unternehmen nur
noch bedingt einschätzen …
• wie sich ihr Markt in den nächsten fünf
Jahren entwickeln wird
• welche Problemlösungen dann auf-
grund des technischen Fortschritts
möglich sein werden
• welche Auswirkungen das auf das be-
stehende Geschäftsmodell haben wird.
Entsprechend kurzfristig sind ihre Stra-
tegien. Sie stehen sozusagen permanent
auf dem Prüfstand. Deshalb können sich
in der VUCA-Welt auch viele personal-
politische und -strategische Entschei-
dungen, die heute sinnvoll erscheinen,
in zwei, drei Jahren als falsch erweisen.
Das bringt viele Unternehmen in folgen-
des Dilemma: Einerseits müssen sie eine
vorausschauende Personalpolitik betrei-
ben, um sicherzustellen, dass sie auch
in einigen Jahren noch die benötigten
Mitarbeiter mit den erforderlichen Kom-
petenzen haben – auch weil absehbar ist,
dass in den westlichen Industrienationen
gute Fach- und Führungskräfte künftig
noch rarer werden. Andererseits können
sie heute oft noch nicht sagen, wie viele
Mitarbeiter sie in drei, fünf oder gar zehn
Jahren brauchen und welche Kompeten-
zen ihre Organisation dann benötigt und
ihre Mitarbeiter folglich brauchen.
„Leiharbeiter“ werden wohl
die Lösung sein
Wie die Unternehmen dieses Dilemma
(mittelfristig) lösen beziehungsweise
managen, das ist heute noch nicht vor-
hersagbar. Klar ist jedoch: Die Personal-
entwicklung, ja die Personalarbeit insge-
samt in den Unternehmen wird sich in
den nächsten Jahren dramatisch verän-
dern. Eine ihrer Hauptfunktionen wird
es künftig sein, relativ kurzfristig dafür
zu sorgen, dass ihrem Unternehmen die
benötigten Mitarbeiter mit den erforder-
lichen Kompetenzen zur Verfügung ste-
hen, sodass dieses schnell zum Beispiel
auf unerwartete Marktveränderungen re-
agieren kann.
Ein erstes Indiz hierfür ist die Auswei-
tung der Leiharbeit. Während sie sich
bis vor wenigen Jahren weitgehend auf
die Produktionsbereiche und die produk-
tionsnahen Bereiche beschränkte, ist es
heute in den Unternehmen bereits gang
und gäbe, dass zum Beispiel auch in den
Forschungs- und Entwicklungsabtei-
lungen „Leiharbeiter“ sitzen. Und sogar
Bereichsleiter- und Projektleiter-Posten
werden zunehmend mit „Leiharbeitern“
besetzt. Diese „Leiharbeiter“ oder Mitar-
beiter auf Zeit werden zwar nicht Leihar-
beiter, sondern meist „Interim-Manager“
genannt; sie sind jedoch ein Beleg dafür,
„Unsere Personalentwicklung orientiert
sich an den strategischen Zielen des Un-
ternehmens“, dieser Satz galt über viele
Jahre hinweg als Kernaussage der Per-
sonalentwickler. So beschrieben sie ihr
Selbstverständnis. Sie sahen sich als der
strategische Partner der Unternehmens-
führung beim Erreichen der Unterneh-
mensziele. Seit Kurzem vernimmt man
solche Aussagen seltener. Und die oft
auf viele Jahre angelegten Führungsent-
wicklungsprogramme, die die firmenin-
ternen Personalentwickler so gerne und
voller Stolz präsentierten, sind kein Beleg
mehr für eine strategische Arbeitsweise.
Sie wurden inzwischen in den meisten
Unternehmen auf Eis gelegt – stillschwei-
gend.
Personalentwicklung wird
sich rasant verändern
MEINUNGSBEITRAG.
„Quo vadis Personalentwicklung?“: Diese Frage stellt sich 2017
so vehement wie noch nie. Denn eine strategische, also langfristig orientierte Personal­
entwicklung ist kaum noch möglich.
Dr. Albrecht
Müllerschön
ist Inhaber der
M ü l l e r s c h ö n
Managementbe­
ratung in Starzeln (Baden-Württem­
berg). Er unterstützt Unternehmen
und ihre Mitarbeiter beim Bewälti­
gen von Change-Vorhaben. Der Wirt­
schaftspsychologe ist Experte für Per­
sonalauswahl, Personalentwicklung
und Coaching. Er ist auch Lehrbeauf­
tragter der Uni Tübingen und Autor
mehrerer Fachbücher.
Albrecht Müllerschön
Managementberatung
Kirchsteige 6, D-72393 Starzeln
Tel. +49 7477 151105
AUTOR
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