Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2017 - page 57

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
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man auch heute noch auf keiner juristi-
schen Universität. Und selbst in die so-
eben verabschiedete Reform zur berufli-
chen Weiterbildung der Anwälte hat dies
noch keinen Eingang gefunden. Ich biete
dies seit letztem Jahr mit meiner eigenen
Beratungsfirma CLP in Deutschland, Ös-
terreich und der Schweiz an: Endlich be-
kommen Anwälte Methoden und Tools an
die Hand, um wirklich die für den Man-
danten beste Lösung zu finden.
Wenn Sie mich also nach der Zukunft
des Coachings fragen, kann ich Ihnen
sagen, dass Coaching gerade erst dabei
ist, sein volles Potenzial zu entfalten.
Zukunftsforscher bescheinigen allem,
was originär menschliche, emotionale
und soziale Fähigkeiten abverlangt – wie
Emphatie, Individualität, Intuition, Ver-
trauen, Beziehungsfähigkeit – glänzende
Aussichten in einer Zukunft, die von Digi-
talisierung, Automatismus und Standards
geprägt sein wird. Das können auch an-
dere Methoden wie Mediation, Therapie,
Training, Mentoring abbilden, aber im
Unterschied zu diesen rückt Coaching die
persönliche Zukunft des Coachees in den
Fokus. Und ist die nicht, wenn wir ehrlich
sind, für jeden von uns das Wichtigste?
Noch eine persönliche Frage: Warum
sind Sie als Juristin eigentlich ein Coach
geworden?
Tutschka:
Ich bin seit fast 20 Jahren An-
wältin. In meinem Beratungsgeschäft bin
ich immer wieder an Grenzen gestoßen,
auf die mich meine rein fachliche Ausbil-
dung nicht vorbereitet hatte. Menschen
kommen in tiefen Lebenskrisen in die
Kanzlei und erwarten, dass der Anwalt
ihr Leben verändert. Eine der Fragen, die
mich wie meine Kollegen mehr und mehr
beschäftigt hat, war: Wie um alles in der
Welt soll ich wissen, was für den Klien-
ten gut und richtig ist? Als ich mich dann
selbst als promovierte, erfahrene Anwäl-
tin mitten in der Automobilkrise in Det-
roit wiederfand, dachte ich, auf dem Hö-
hepunkt meiner Karriere zu sein. Tatsäch-
lich aber hatte ich in dieser Situation nur
sehr eingeschränkte berufliche Möglich-
keiten und musste viele Privilegien und
Selbstverständlichkeiten abgeben. Das
und die tiefgreifende Veränderung dieser
Stadt in dieser schwierigen Zeit änderte
meine Perspektive als Juristin enorm. Im-
merhin werden wir Juristen dazu ausge-
bildet, jederzeit eine Lösung zu finden.
Hier aber war allen klar: Es kann keine
Standardlösung geben. Ich lernte was es
heißt, Demut zu haben.
Wie ging es weiter?
Tutschka:
Ich ergriff meine Chance, mit
einem Juristencoach zu arbeiten, und
war begeistert. Plötzlich gab es nicht
mehr nur vorgefertigte Standardlösungen,
sondern eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Genau danach hatte ich gesucht und ab-
solvierte wenig später selbst eine Ausbil-
dung zum Coach. Ich fand gleichzeitig
zum Berufsverband ICF. Als ich im Jahr
2012 wieder zurück nach Europa kam,
gründete ich in Salzburg die Beratungsge-
sellschaft „CLP“ (Coaching for legal pro-
fessionals). Seitdem unterstütze ich Kol-
legen bei Themen wie Personalführung,
Kanzlei- und Karriereentwicklung.
Lassen Sie sich selbst coachen?
Tutschka:
Ich selbst investiere immer wie-
der in einen Coach – sei es vor wichtigen
Entscheidungen oder Herausforderungen
oder bei anstehenden Veränderungen. So
habe ich beispielsweise in einen Coach
investiert, als ich in den Vorstand des ICF
berufen worden bin. Ich hatte das nicht
auf meiner Agenda und definitiv nicht
in meinen beruflichen oder privaten Plä-
nen. Im Coaching kamen dann Themen
zur Sprache wie die Fragen, ob ich mir
das überhaupt zutraue und was es für
mich, meine Familie aber auch für meine
beruflichen Verpflichtungen bedeuten
könnte. Mit dem Coach erörterte ich ge-
zielt, warum ich ein solches Amt anneh-
men sollte. Das waren spannende Fragen
– und die Antworten, die ich mit meinem
Coach erarbeitete, waren noch viel inte­
ressanter, das dürfen Sie mir glauben.
Interview: Martin Pichler
„Der ICF ist der einzige Verband, der nur für Coachs
da ist, und der einzige internationale Verband.“
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