Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2017 - page 47

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
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Der neue Cialdini: Verhandlungen schlauer starten
Im Jahr 1984 veröffentlichte Cialdini in den USA das Buch
„Influence: The Psychology of Persuasion“. Weltweit ver-
kaufte es sich über drei Millionen Mal und machte den
Autor zum „Paten der Beeinflussung“.
Geschenke verpflichten zu Gegenleistungen
Dieses Buch wurde nicht zuletzt wegen folgender
Geschichte, die in einer amerikanischen Großstadt spielt,
berühmt: Menschen, die gerade einen Bahnhof verlas-
sen, bekommen von den Mitgliedern einer Sekte Blumen
geschenkt. Ein paar Schritte weiter taucht dann plötzlich
ein weiteres Sektenmitglied mit einer Spendenbüchse auf
und bittet um eine milde Gabe. Viele Menschen kehren
wortlos um, um ihre Blume zurückzugeben. Cialdini erklärt:
Passanten, die die Sekte nicht unterstützen wollen, spüren
wegen der mitgenommenen Blume trotzdem eine starke
Verpflichtung, eine Gegenleistung erbringen zu müssen.
Dieses Gefühl ist so stark, dass sie es nicht fertig bringen,
mit dem Geschenk einfach zu verschwinden. Sie können
den „Zwang zur Gegenleistung“ offenbar nur loswerden,
indem sie das Geschenk zurückgeben – selbst wenn sie
die manipulative Masche dahinter durchschauen.
Sechs Überrumpelungsstrategien
Insgesamt spricht Cialdini von sechs Mechanismen, die
Menschen quasi automatisch dazu bringen können, etwas
Bestimmtes zu tun:
1. Reziprozität:
Die tief verankerte Grundregel des Gebens
und Nehmens führt dazu, dass Menschen oft glauben,
sich (zum Beispiel mit Zugeständnissen in Verhandlungen)
revanchieren zu müssen.
2. Konsistenz:
Jeder will konsequent und glaubwürdig
auftreten. Wenn man jemanden dazu bringt, sich früh auf
etwas festzulegen, wird diese (schnelle) Entscheidung
lange aufrechterhalten – auch wenn sie dumm war.
3. Soziale Bewährtheit:
Bei Entscheidungen orientieren
sich viele am Verhalten anderer – insbesondere an Promis
oder Menschen, die ihnen ähnlich sind.
4. Sympathie:
Der „Halo-Effekt“ (Heiligenschein-Effekt)
zeigt, dass positive Merkmale einer Person (attraktives
Äußeres) dazu führen, dass man leichtsinnig vermutet,
diese Person habe bestimmt auch noch andere positive
Eigenschaften (Intelligenz, Zuverlässigkeit …).
Buchtipp.
Robert B. Cialdini, 72, war Psychologie-Professor an der Arizona State University (USA).
Sein Spezialgebiet sind professionelle Überzeugungsstrategien. Sein neustes Buch („Pre-Suasion:
Wie Sie bereits vor der Verhandlung gewinnen“, Campus Verlag, Frankfurt/Main 2017, 343 Seiten,
29,95 Euro) erklärt, wie Verhandlungen psychologisch geschickt eingefädelt werden sollten.
Robert Cialdini.
Der emeritierte
Professor grün-
dete auch die
Beratung „Influ-
ence at Work“.
5. Autorität:
Erwachsene sind grundsätzlich bereit, fast
alles zu tun, was eine Autoritätsperson verlangt.
6. Knappheit:
Dinge, die schwer zu haben sind, erscheinen
wertvoller. Verknappung bewirkt eine höhere Nachfrage.
Neu: Das „Vorspiel“ als siebte Strategie
Es gibt noch einen siebten Mechanismus der Beeinflus-
sung. Cialdini stellt ihn in seinem neuesten Buch vor: Eine
Überzeugung („Persuasion“) gelinge umso besser, wenn ihr
gewisse manipulative Aktivitäten vorausgingen („Pre-Sua-
sion“). Will man Passanten zur Teilnahme an einer Umfrage
motivieren, dann lohnt es sich, vor der eigentlichen Bitte zu
fragen: „Halten Sie sich für einen hilfsbereiten Menschen?“
Auch visuell lässt sich eine Entscheidung in die gewünschte
Richtung drängen: Ein Möbelhaus, das seine bequemen
Möbel vorrangig verkaufen will, sollte überall große Fotos
von Wolken aufhängen. Ein Lebensmittelladen, der mehr
Bordeaux-Weine verkaufen muss, sollte französische Musik
im Hintergrund spielen. Will der Chef, dass seine Führungs-
kräfte sorgfältiger entscheiden, sollte er im Besprechungs-
raum eine Kopie von Rodins Denker aufstellen.
Cialdini entwickelte eine Theorie der „Vorabbeeinflussung“,
die darauf beruht, dass man bei einem Menschen angeb-
lich „zielführende“ Assoziationen wecken könne, bevor er
sich bewusst entscheide. Das geht vom Gruppendruck (im
Vorfeld) bis zur Gestaltung der Verhandlungsräume. Zum
Schluss noch eine Warnung vom Meister persönlich: „Es ist
wichtig, die Rolle der Wahrscheinlichkeit im Auge zu behal-
ten, auf die man unausweichlich trifft, wenn man sich im
Reich des menschlichen Verhaltens betätigt: Keine Über-
zeugungstechnik wirkt mit Sicherheit.“
Foto: Brandon Sullivan
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