personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
derungen nicht „disruptiv“ verlaufen (um
ein aktuelles Modewort zu gebrauchen),
sondern schleichend. Deshalb nimmt
man sie im Arbeitsalltag oft nicht bewusst
wahr. Darum sollten die Entscheider in
den Unternehmen, wenn sich bei ihnen
das Gefühl verdichtet, „bei uns muss sich
etwas verändern“, in einem Workshop
zunächst zum Beispiel gemeinsam fra-
gen: „Wie hat unser Unternehmen, sein
Markt und seine Belegschaft vor zehn
oder 20 Jahren getickt?“
Langfristige Entwicklungs-
linien erkennen
Aus den Ergebnissen können sie dann ab-
leiten: „Was hat sich seitdem verändert?“
Oder anders gesagt: „Was kennzeichnet
die Situation heute?“ Anhand der Verän-
derungen in den zurückliegenden Jahren
können die Workshop-Teilnehmer sich
dann fragen, welche Entwicklungsli-
nien hierin erkennbar sind. Im nächsten
Schritt können sie sich mit der Frage zu
befassen: „Wie sieht aufgrund dieser Ent-
wicklungslinien unser Unternehmen, die
Zusammenarbeit in ihm, seine Mitarbei-
terstruktur voraussichtlich in fünf oder
zehn Jahren aus?“
Aufgrund der hier abgebildetenTabelle
können sich die Teilnehmer dann bei-
spielweise fragen: „Was gilt es konkret zu
tun, damit unser Unternehmen in zehn
Jahren noch marktfähig ist und über
die Mitarbeiter verfügt, die es braucht?“
Dann kann die Maßnahmenplanung be-
ginnen. Der Vorteil eines solchen Vorge-
hens ist: Durch die gemeinsame Analyse
„Was hat sich verändert?“ wird zunächst
eine gemeinsame Verstehensbasis ge-
schaffen. Zudem wird den Teilnehmern
bewusst, wie viel sich in den zurücklie-
genden zehn oder 20 Jahren schon geän-
dert hat beziehungsweise wie viele Ver-
änderungen das Unternehmen und seine
Mitarbeiter bereits erfolgreich gemeistert
haben. Entsprechend zuversichtlich be-
fassen sie sich mit der Zukunft – insbe-
sondere dann, wenn es primär darum
geht, Entwicklungslinien, die bereits in
der Vergangenheit erkennbar waren, fort-
zuschreiben.
Dies ist eigentlich bei allen anstehenden
Veränderungen im Human-Resources-Be-
reich beziehungsweise im Bereich Perso-
nal- und Organisationsentwicklung sowie
betriebliche Weiterbildung der Fall. Unab-
hängig davon, ob es sich beispielsweise
um das Thema Führung, Team- und Zu-
sammenarbeit oder Mitarbeiterqualifi-
kation handelt. Hier waren und sind es
nicht sogenannte „black swans“, also
(scheinbar) unvorhersehbare Ereignisse
wie die Terroranschläge 2001, die Finanz-
krise 2008 oder der Brexit, die zu dem
„Reformstau“ beziehungsweise hohen
Change-Bedarf in vielen Unternehmen
führen.
Die Ursache ist vielmehr: Die Personal-
beziehungsweise HR-Verantwortlichen in
den Unternehmen haben ihre „Hausauf-
gaben“ entweder nicht oder nicht kon-
sequent genug gemacht. Oder sie hatten
nicht das erforderliche Standing in ihrer
Organisation, um bei den Top-Entschei-
dern das nötige Gehör zu finden. Denn
für fast alle Herausforderungen im PE-
und OE-Bereich, vor denen die Personal-
und HR-Verantwortlichen in den Unter-
Unternehmerisch handeln bedeutet, die
Zukunft gedanklich vorwegzunehmen
und die Weichen rechtzeitig in Richtung
Zukunft zu stellen. Das ist die Aufgabe
aller Top-Entscheider in den Unterneh-
men. Das ist oft nicht einfach, denn die
Zukunft ist noch nicht Gegenwart. Des-
halb fließen in alle strategischen Planun-
gen viele Annahmen ein – zum Beispiel
über die Frage: Wie entwickelt sich der
(Arbeits-)Markt? Welche Problemlösun-
gen sind künftig (technisch) möglich?
Welche Kompetenzen brauchen unsere
Mitarbeiter morgen?
Erleichtert wird das strategische Planen
jedoch dadurch, dass die meisten Verän-
Gemeinsam die Zukunft
besser planen
PE-STRATEGIE.
Die meisten Veränderungen in der Wirtschaft und in den Unternehmen
verlaufen schleichend. Man nimmt sie im Alltag nicht wahr. Deshalb lohnt es beim
strategischen Planen, sich zunächst zu fragen: „Was hat sich in letzten zehn oder
20 Jahren verändert?“ Aus den Entwicklungslinien in der Vergangenheit können dann
hilfreiche Schlüsse für die Zukunft gezogen werden.
Dr. Albrecht
Müllerschön
ist Inhaber der
M ü l l e r s c h ö n
Managementbe-
ratung in Starzeln (Baden-Württem-
berg). Er unterstützt Unternehmen
und ihre Mitarbeiter bei der Bewäl-
tigung von Change-Vorhaben. Der
Wirtschaftspsychologe ist Experte für
Personalauswahl, Personalentwick-
lung und Coaching. Er ist auch Lehrbe-
auftragter der Uni Tübingen und Autor
mehrerer Fachbücher.
Albrecht Müllerschön
Managementberatung
Kirchsteige 6, D-72393 Starzeln
Tel. +49 7477 151105
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