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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2016
Foto: Alan Bailey / Shutterstock.com
AUSSERGEWÖHNLICHE FORSCHUNG.
Professor Vicki
Culpin ist Fakultätsmitglied der privaten Business School
„Ashridge Executive Education“ in London. Sie hat sich
auf Schlafforschung im Zusammenhang mit beruflicher
Leistungsfähigkeit spezialisiert. Auf der „Zukunft Personal
2016“ hielt sie den Keynote-Vortrag „The Wake-Up Call: The
importance of sleep in organisational life”. Culpin zeigte,
dass Schlafmangel erhebliche negative Auswirkungen hat.
Inwiefern arbeiten wir besser, wenn wir gut schlafen?
Prof. Dr. Vicki Culpin:
Wir haben eine groß angelegte Studie mit
mehr als tausend Menschen durchgeführt und ihnen Fragen
über die Qualität und Quantität ihres Schlafs gestellt – und
wie sie das im Job beeinflusst. Wir haben herausgefunden,
dass die Schlafmenge bei Berufstätigen aller Hierarchiestufen
gleich war. Die Befragten haben alle nicht genug geschlafen, im
Schnitt sechseinhalb Stunden. Die Teilnehmer berichteten von
verschiedenen Effekten, wie Schwierigkeiten mit Kollegen zu
interagieren und sich in Meetings zu konzentrieren. Sie waren
der Meinung, dass ihr soziales Leben leide, dass sie häufiger
Kopfschmerzen bekämen oder sich schnell eine Erkältung ein-
fingen. Und eine Sache war sehr interessant: Menschen der un-
teren Hierarchieebenen berichteten von stärkeren Beeinträchti-
gungen als die in höheren Führungspositionen.
Wie erklären Sie sich das?
Culpin:
In Anbetracht dessen, dass die Mitarbeiter ohne Füh-
rungsverantwortung genauso viel oder wenig schliefen wie ihre
Vorgesetzten, hat die Schlafmenge folglich nichts damit zu tun.
Es könnte vielmehr sein, dass die Mitarbeiter der niedrigeren
Hierarchien eher bereit sind, offen über die Auswirkungen von
schlechtem Schlaf zu sprechen, weil das für sie kein Karrie-
rekiller ist. Vielleicht sind die Menschen in höheren Hierar-
chieebenen gewitzter darin, die Auswirkungen zu verschleiern
oder sie schämen sich einfach dafür. Denkbar ist auch, dass
„Schlafmangel ist
ein unternehmens-
weites Problem
“
die Senior Manager tatsächlich weniger Schlaf brauchen, also
bessere Mechanismen oder eine Art genetische Veranlagung
haben, damit fertig zu werden. Wie dem auch sei, die Kernaus-
sage ist jedenfalls, dass dies nicht nur die Beschäftigten betrifft,
die den höchsten Verantwortungsdruck und entsprechenden
Stress haben. Schlafmangel ist ein unternehmensweites Pro-
blem. Wir sollten das Thema auf allen Ebenen vom Mitarbeiter
bis zum CEO adressieren.
Wie beeinflusst Schlafmangel zum Beispiel unsere
Entscheidungsfähigkeit?
Culpin:
Er wirkt sich auf die Qualität der Entscheidung aus und
die Folgen, die eine gewisse Entscheidung hat. Bei manchen
Menschen verlangsamt sich die Fähigkeit, Entscheidungen zu
treffen. Die gesamte Informationsverarbeitung wird ein wenig
langsamer. Dann kann es passieren, dass Sie riskantere Ent-
scheidungen treffen, weil Sie nicht alle Informationen aufneh-
men und nicht so rational denken – egal, ob Sie von Natur aus
eine risikofreudige oder eher risikoscheue Person sind.
Was können wir tun, um besser zu schlafen?
Culpin:
Fangen wir bei der Schlafumgebung an: Wir neigen
zum Einschlafen, wenn unsere Körperkerntemperatur etwas
unter normal liegt. Manchmal ist es sehr verlockend, das
Schlafzimmer kuschelig warm zu haben, aber das kann die
Schlafqualität beeinträchtigen. Die zweite Sache ist das Licht: