messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
09_2015
über Facebook zum Beispiel den Eindruck
gewonnen haben, dass es hier ein sehr of-
fenes und schönes Team gibt. Wir hören
immer wieder die Aussage: „Ich möchte
wirklich etwas machen, Entscheidungen
mitfällen und Ergebnisse mitbestimmen.“
Viele haben auf Konzern keine Lust,
wenn sie da nur Hilfstätigkeiten machen
sollen. Wir haben vor Kurzem das erste
Mal einen Mitarbeiter der Generation Y,
der aber schon seit sechs Jahren arbei-
tet, von einer Festanstellung abgeworben,
ohne dass wir einen Bonus gezahlt, son-
dern fast noch das Gehalt gesenkt haben.
Er meinte, das Monetäre reize ihn so gar
nicht. Die Generation Y wird manchmal
etwas missverstanden. Es wird immer ge-
sagt, die sind verwöhnt und wollen nicht
arbeiten. Aber sie streben einfach nach
Sinn und Spaß bei der Arbeit.
Deshalb das Spielzeug im Büro?
Oehle:
Ja, auch. Aber man kann damit im
Team auch eine sehr freundliche Ablen-
kung schaffen. Als Gründer erlebt man
eine permanente Achterbahnfahrt. Es ist
immer alles unsicher, es kann an einem
Tag richtig gut laufen und am nächs-
ten extrem schlecht. Da hilft es, dass es
hier nicht ganz so seriös ist. Man kann
im Team immer Scherze machen. Wir
haben zum Beispiel so eine Plüschratte,
die schielt. Wenn alle wirklich schlecht
gelaunt sind, schnappen wir uns das Ding
und bauen irgendeinen Mist damit. Oder
man setzt jemand mal aufs Bobbycar und
fährt durch das Büro. Das hilft in solchen
Situationen extrem.
Wie weit geht die Selbstbestimmung bei
Spottster?
Oehle:
Wir geben ganz klar vor, was wir
von unseren Mitarbeitern erwarten. Als
Gründer möchte man das Unternehmen
schon so gestalten, wie man das im Kopf
hat. Wir sagen, das brauchen wir und so
soll es etwa aussehen. Aber mit diesem
Rahmen lassen wir die Leute einfach los-
laufen und ausprobieren. Wie sie zum
Beispiel eine Kampagne strukturieren, ist
ihre Sache. Uns interessiert das Ergebnis.
Natürlich stehen wir im Entstehungspro-
zess für Fragen zur Verfügung, aber wir
betreiben kein Mikromanagement, indem
wir die Schritte vorgeben.
Jeder hat also seinen eigenen kleinen
Entscheidungskosmos?
Oehle:
Sehr wichtig ist, dass die Mitar-
beiter hier von Anfang an mit allen Kun-
den telefonieren. Ich habe einmal in einer
Bank ein Industrial-Banking-Praktikum
gemacht: Da durfte ich ein einzelnes Te-
lefonat mit einem Kunden führen – und
zwar nur, um einen Termin abzusagen,
weil der eigentliche Ansprechpartner ge-
rade keine Zeit hatte. Und dafür bin ich
den ganzen Tag immer im Kostüm her-
umgelaufen. Mir hat man die Kunden-
kontakte einfach nicht zugetraut. Wir
sagen, ruf da an und wenn etwas nicht
klappt, sag Bescheid. Das fördern wir
auch ganz gezielt. Wenn wir merken, da
ist jemand etwas schüchtern und kann
Wie sieht es denn bei Ihnen im Büro so
aus – die klassische Garage?
Freya Oehle:
Nein (lacht), aber die Phase
haben wir auch durchlaufen. Zuerst war
es das elterliche Wohnzimmer, dann das
Kellerbüro mit Stangen vor den Fens-
tern. Nun sind wir in einem Altbau im
ersten Stock – es war uns wichtig, dass
das Büro eine wohnliche Atmosphäre hat.
Es ist recht offen, aber kein klassisches
Großraumbüro. Es gibt größere Tische,
an denen man in Gruppen zusammen-
sitzen kann. Außerdem haben wir hier
Spielzeug und Sofas. Neben einem ganz
normalen Konferenzraum ist das Büro
sehr teamorientiert gestaltet. Von jedem
Mitarbeiter, der mal im Unternehmen
war, hängt ein Bild im Fotorahmen an
der Pinnwand. Es gibt ein großes To-do-
Board, sodass jeder jederzeit sieht, woran
die anderen arbeiten und was der aktu-
elle Stand ist.
Sie bieten also funktionale, aber kei-
nesfalls luxuriöse Büroräumlichkeiten
und ein hohes Gehalt bekommt man in
Start-ups ja auch eher nicht. Trotzdem
schnappen sie bisweilen den etablierten
Unternehmen den Nachwuchs weg ...
Oehle:
Wir fragen unsere Bewerber
immer, warum sie bei uns arbeiten wol-
len oder was sie auf uns aufmerksam
gemacht hat. Da kommt heraus, dass sie
„Einem motivierten Mitarbeiter
kann man fast alles beibringen“
START-UPS AUF DER „ZUKUNFT PERSONAL“.
Eine Repräsentantin der dynamischen
Start-up-Szene heißt Freya Oehle, Gründerin der Shoppingwebsite „Spottster.com“.
Dieses Jungunternehmen setzt nicht nur schnell neue Ideen um, sondern ist auch noch
für Nachwuchstalente besonders attraktiv. Warum, sagt sie auf der Messe in Köln.
„Wenn ein Praktikant bei jeder Präsentation, die
er rausschickt, erst bei mir fragen müsste, ob die
Anpassungen okay sind, dann hätten wir einen
hohen Geschwindigkeitsverlust.“