messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
09_2015
Wie zeigen Sie den potenziellen
Bewerbern, was auf sie zukommt?
Oehle:
Wir haben ein sehr spezielles
Wording in unseren Ausschreibungen.
Wir fangen mit Fragen an wie „Du willst
wirklich was machen?“, „Du willst Deine
eigene Kampagne schalten?“, „Du willst
direkten Kundenkontakt und das Ergeb-
nis Deiner Arbeit sehen?“ Wir erläutern
kurz, worum es geht – ob im Marketing
oder in der IT. Wir sagen: „Du musst
hoch motiviert sein, Du musst Lust auf
Teamarbeit haben und lustig sein. Aber
sei Dir im Klaren, dass Du auch viel ar-
beiten wirst.“ Das ist alles. Wir überprü-
fen die Qualifikation natürlich auch, aber
wir rattern nicht gleich eine lange Liste
an Dingen runter, die jemand mitbrin-
gen muss, sodass alle sagen, „Um Got-
tes willen!“ Es kann sein, dass jemand
noch nie Photoshop gemacht hat, sich
aber innerhalb einer Woche reinfuchst,
wenn er Lust darauf hat. Den würde ich
damit schon einmal abschrecken, wenn
ich sage, Photoshop-Kenntnisse sind er-
forderlich. Einem motivierten Mitarbeiter
kann man fast alles beibringen.
Als erfolgreiche Gründerin eines
attraktiven Nachwuchsunternehmens
sind Sie zu einer Art Beraterin für die
Suche nach talentierten Mitarbeitern
geworden. Welche Unternehmen
kommen da auf Sie zu und wie sieht der
Erfahrungsaustausch aus?
Oehle:
Wir haben hier in Hamburg eine
Art Arbeitskreis mit etablierten Industrie-
und Familienunternehmen aufgebaut.
Deren Problem besteht darin, dass sie
kaum noch gute Nachwuchsleute bekom-
men. Für Hochschulabsolventen gibt es
vor allem zwei sehr reizvolle Felder: zum
einen der steile Karriereweg in der Bera-
tung, der Bank oder als Maschinenbauer
zum Beispiel bei BMW in der Entwick-
lung, zum anderen der Gegenentwurf in
Richtung Start-up oder Venture-Capital-
Szene. Die Familienunternehmen, die
eigentlich eine extrem gute Leistung im
Sinne von Gehalt oder Arbeitsqualität
bieten, haben da schlechte Karten. Sie
haben nicht die Mittel, um gegen die
Banken oder Unternehmensberatungen
anzukommen und auch nicht das Image,
dass es cool ist, da zu arbeiten. Deshalb
sind sie auf uns zugekommen und haben
gefragt, kann man da nicht mal was zu-
sammen machen. Bisher sind das noch
Gedankenspiele für ein Split-Programm
in der Ausbildung, sodass unsere Leute
auch stärker feste Strukturen in etab-
lierten Unternehmen kennenlernen und
diese gleichzeitig durch die Zusammenar-
beit mit uns als Start-up ins Rampenlicht
rücken.
Nun sind Sie inzwischen vom elterlichen
Wohnzimmer in den 1. Stock aufgestie-
gen und arbeiten mit Familienunterneh-
men zusammen. Haben Sie nicht ein
bisschen Angst davor, dass Sie irgend-
wann Ihren Start-up-Spirit verlieren?
Oehle:
Gefühlsmäßig ja, aber vom Kopf
her nicht. Mir ist ein kreatives Arbeitsum-
feld zu wichtig. Natürlich wird sich das
alles hier irgendwann professionalisie-
ren und ich werde vielleicht nicht mehr
jeden Tag jeden Mitarbeiter sehen. Aber
an unserem Spirit halten wir fest. Zur Not
gründen wir einfach wieder ein neues
Start-up.
Interview: Stefanie Hornung
R
Halle 2.1.
Hier im Praxisforum 1 tritt nicht nur Freya Oehle auf, sondern hier
werden insgesamt acht internationale Keynote-Speaker die Besucher begeistern.
Foto: Zukunft Personal 2014/Franz Pfluegl
Start-up Village HR.
Business Angels und Inkubatoren
haben HR für sich entdeckt und investieren ihr Kapital ver-
mehrt zum Beispiel in Softwarelösungen für die Arbeits-
organisation oder das Recruiting. Auf Messeständen und
der Bühne im neuen Start-up Village der „Zukunft Perso-
nal 2015“ können Personaler innovative Lösungen für die
unmittelbare Zukunft ihres Unternehmens begutachten
und Kooperationen schließen.
Freya Oehle hält ihren Keynote-Vortrag zum Thema „Jung,
selbstbestimmt und unverschämt produktiv: Wie Start-ups
Nachwuchstalente für sich gewinnen“ auf der „Zukunft
Personal“ am Donnerstag, 17. September, um 10.00 Uhr
in der Hale 2.1 der Messe Köln im Praxisforum 1.
Neu: Start-ups kommen zur Messe