wirtschaft und weiterbildung 9/2015 - page 62

fachliteratur
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wirtschaft + weiterbildung
09_2015
Was unterscheidet die „systemische“ Art, eine Un­
ternehmensstrategie zu entwickeln, von der traditi­
onellen Variante? Die Autoren, zwei erfahrene, sehr
angesehene Systemiker der Wiener Schule, sehen
das so: Traditionell beauftragt ein Unternehmen eine
der großen („klassischen“) Beratungsfirmen mit der
Strategieentwicklung. Die Delegation an Experten ist
schon deshalb sehr attraktiv, weil die Berater ein­
dringlich versprechen, durch sie werde jede Art von
Unsicherheit berechenbar. Doch selbst für die erfolg­
reichsten, „klassischen“ Beratungsgesellschaften ist
es schwieriger geworden, Strategien mit einer länger­
fristigen Perspektive festzulegen.
Der „systemische“ Ansatz verlangt, dass Strategie­
entwicklung die zentrale Aufgabe des Topmanage­
ments sein müsse. Unsicherheit im Angesicht der
Zukunft muss ausgehalten und vom Führungsteam
gemeinsam bearbeitet werden. Es gilt, aus dem Un­
ternehmen heraus Antworten auf die elementaren
Fragen der Organisation zu finden, wie zum Beispiel
nach Märkten, Kunden und Produkten, aber auch
nach internen Strukturen, Kompetenzen und Prozes­
sen. Damit das mit der Diskussion über die Strategie
auch klappt, sollten auf der obersten Management­
ebene professionell gestaltete Diskussions- und Ent­
scheidungsprozesse zwischen den Schlüsselspielern
ablaufen. „Systemische“ Berater organisieren solche
Diskussionsprozesse und stehen ansonsten „nur“ als
Sparringspartner zur Verfügung. Das heißt: Sie geben
Denkanstöße und weisen auf mögliche blinde Fle­
cken in der Diskussion hin, aber die Strategie kommt
aus dem Unternehmen selbst.
Um für fundierte Diskussionen zu sorgen, stellen die
Systemiker zwar auch die bekannten Analysetools
der BWL zur Verfügung (natürlich ergänzt um exklu­
siv systemische Tools). Der eigentliche Unterschied
in den Beratungsansätzen liegt aber darin, wie die
Ergebnisse der Analysen genutzt werden – als Be­
standteil eines Rezepts, dem man folgt („klassisch“)
oder als Denkanstoß, der einem hilft, zu eigenen
Ideen zu kommen.
Anhand von Praxisbeispielen aus der konkreten
Strategiearbeit der Autoren werden typische Strate­
gieprozesse im Detail vorgestellt. Die Einführung ist
als Überblicksbuch konzipiert und enthält quasi die
Quintessenz früherer Werke von Nagel und Wimmer.
Anders als McKinsey
SYSTEMISCHE BERATUNG
Reinhart Nagel, Rudolf Wimmer
Einführung in die systemische Strategie-
entwicklung, Carl Auer Verlag,
Heidelberg 2015, 126 Seiten, 13,95 Euro
Prof. Dr. Rudolf Wimmer ist Professor für Führung und
Organisation am Institut für Familienunternehmen der
Universität Witten/Herdecke. Im Jahr 1988 gründete er
die OSB in Wien. Er war langjähriger Mitherausgeber der
„Organisationsentwicklung“.
Dr. Reinhart Nagel ist Partner der OSB International Con-
sulting AG in Wien. Er ist Spezialist für die Begleitung von
Strategieentwicklungsprozessen und deren Verankerung
im Unternehmen sowie Experte für Organisationsdesign.
Rudolf Wimmer
(links) und
Reinhart Nagel
AUTOREN
Foto: OSB
Foto: OSB
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