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wirtschaft + weiterbildung
09_2015
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Freya Oehle.
Die Gründerin von Spottster.com repräsentiert auf der Messe
„Zukunft Personal“ die deutsche Gründerszene.
das noch lernen, dann geht kein anderer
mehr ans Telefon (lacht).
Wie reagieren Sie, wenn Fehler
passieren?
Oehle:
Wir machen da schon ganz klar
die Ansage: „Du, pass auf, das war großer
Mist.“ Aber auch: „Macht nichts, beim
nächsten Mal machst Du es besser.“ Es
gibt bei uns nicht dieses große Beloh-
nungs-, Bewertungs-, Bestrafungs-Sys-
tem, in dem eine schlechte Performance
sich direkt negativ auf den eigenen Auf-
stieg auswirkt. Dadurch, dass Fehler mög-
lich sind, sind die Leute sehr viel sensib-
ler. Die Mitarbeiter sind sich im Klaren,
dass sie auch die Verantwortung haben
und durch dumme Fehler Geld versem-
meln. Das ist der große Unterschied zum
Konzern.
Gibt es vielleicht auch Mitarbeiter, die bei
Ihnen anfangen und dann merken, das
ist doch nichts für mich, so viel Verant-
wortung und Selbstbestimmung?
Oehle:
Es gab einmal eine Mitarbeiterin,
die gesagt hat, ich brauche etwas mehr
Druck von euch. Sie wollte mehr Vorga-
ben von oben und genau wissen, wann
etwas fertig sein soll. Das haben wir als
sehr positiv empfunden, dass sie mit dem
Feedback direkt um die Ecke kam. Seit-
dem geben wir mehr Deadlines vor und
das funktioniert super.
Sie sind ja als Start-up wirklich unver-
schämt produktiv. Liegt das vor allem
am Thema Selbstbestimmung oder was
spielt da noch eine Rolle?
Oehle:
Das ist vor allem der Spaß an der
Arbeit. Das ist ein bisschen wie die Fort-
setzung der Studentenzeit, in der man
auch bis nachts im Seminar gesessen hat
– aber eben mit anderen Kommilitonen
zusammen und dann war das okay. Wir
haben dafür aber keine starren Vorgaben.
Es gibt ein gutes Gruppengefüge, sodass
man abends auch mal zusammen ein
Bierchen trinkt oder grillt. Wenn jemand
etwas geschafft hat, gibt es eine Team-
faust. Da wir ein offenes Büro haben,
sieht das jeder, dass da jemand hingeht
und eine High-Five macht. Dieses gegen-
seitige „Wir wollen hier alle etwas Geiles
erreichen“ spornt an. Die Leute sind ins-
gesamt motivierter.
Beeindruckend ist an Start-ups auch die
Geschwindigkeit, mit der sie neue Ideen
umsetzen. Wie gelingt Ihnen das?
Oehle:
Ein wichtiger Punkt ist die Team-
größe. Wir versuchen, die Teams klein zu
halten und dafür zu sorgen, dass jeder
mitbekommt, wer für was zuständig ist.
Wenn wir eine räumliche Trennung in
den Bereich Marketing und IT reinbrin-
gen, was oft in Konzernen der Fall ist,
dauert die grafische und technische Um-
setzung der Marketingkampagne drei- bis
viermal so lange. Wenn alle aber immer
über den Arbeitsstand informiert sind,
geht das viel schneller. Ein Vorteil ist
wirklich, dass wir kaum etwas bewilli-
gen lassen müssen. Wenn ein Praktikant
bei jeder Präsentation, die er rausschickt,
erst bei mir fragen müsste, ob die Anpas-
sungen okay sind, dann hätten wir einen
hohen Geschwindigkeitsverlust.
Wie hoch ist die Anziehungskraft von
Spottster für Bewerber tatsächlich?
Oehle:
Momentan erhalten wir durch-
schnittlich auf eine Praktikumsausschrei-
bung, für die wir keine Anzeige schalten,
sondern die wir nur auf unserer Webseite
und ein paar Uni-Netzwerken veröffentli-
chen, 30 bis 35 Bewerbungen. Wir hatten
kürzlich auch eine Position als Marke-
tingmanager ausgeschrieben, da hatten
wir 43 Bewerbungen – vier Tage, nach-
dem die Info online stand.
Foto: Oehle privat