Digitalisierung und technologische
Veränderungen führen zu deutlichen
qualitativen Veränderungen in der Ar-
beitswelt. Damit unterliegt das klassi-
sche Verständnis von Arbeit hinsichtlich
Raum, Zeit und Struktur einem offen-
kundigen Wandel. Neue Arbeitsformen
zeichnen sich durch hohe Flexibilität,
wechselnde Arbeitsorte, fragmentierte
Arbeitsstrukturen, häufigen Tätigkeits-
wechsel und vollem 24-Stunden-Zyklus
aus, gestützt durch innovative, mehr oder
minder „smarte“ IT-Anwendungen.
Die öffentliche und mediale Debatte
um psychische Gesundheit ist nicht neu,
gewinnt jedoch im Zuge der Digitalisie-
rung, die auf den demografischen Wandel
als zweiten Megatrend trifft, noch mehr
an Brisanz. In einer sich wandelnden
Arbeitswelt stehen Fach- und Führungs-
kräfte neuen Anforderungen gegenüber.
Psychische Belastungen
steigen weiter an
In der aktuellen Studie „HR- und Gesund-
heitsmanagement in der Arbeit 4.0“ der
Arbeits- und Organisationspsychologie
an der Universität Heidelberg stimmen
81 Prozent der befragten Geschäftsführer
und Personalverantwortlichen in deut-
schen Großunternehmen der Aussage zu,
dass vor dem Hintergrund der Digitalisie-
rung die psychischen Belastungen anstei-
gen werden. In den kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen mit weniger
als 500 Mitarbeitern sehen 56 Prozent
einen Anstieg der psychischen Belastun-
gen. Keinen weiteren Anstieg erwarten in
den Großunternehmen nur drei Prozent,
in den KMU 19,2 Prozent.
Gesundheitsbeeinträchtigende kör-
perliche Belastungen scheinen dagegen
durch verbesserten Arbeitsschutz und
Maßnahmen des betrieblichen Gesund-
heitsmanagements reduziert werden zu
können: Eine Zunahme rein physischer
Belastungsfaktoren wird nur von 15 Pro-
zent in den Großunternehmen bezie-
hungsweise 14 Prozent in den kleinen und
mittleren Unternehmen erwartet.
Um gesundheitliche Beeinträchtigun-
gen zu vermeiden beziehungsweise zu re-
duzieren, ist es unabdingbar, potenzielle
Belastungen am Arbeitsplatz frühzeitig
zu erkennen und zu beheben. Hierfür be-
darf es einer umfassenden Gefährdungs-
beurteilung arbeitsbezogener psychischer
Belastungen. Viele Unternehmen stehen
bei der Berücksichtigung der psychischen
Belastung in der Gefährdungsbeurteilung
allerdings noch am Anfang.
Immer schneller, immer
komplexer - das stresst
In Zeiten der digitalen Transformation
ist der schnelle Informationstransfer,
also die Aufnahme, Weitergabe und Ver-
breitung von Informationen, die wohl
größte Herausforderung für die humane
Arbeitsgestaltung. Mehr als 40 Prozent
aller Beschäftigten geben im BKK-Gesund-
heitsreport 2017 an, dass sie durch die Di-
gitalisierung Aufgaben schneller und auch
mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen
müssen. Jeder Fünfte fühlt sich – so die
subjektive Einschätzung – überlastet.
Wie sich der Einsatz von digitalen
Technologien langfristig auf unsere Ge-
sundheit auswirken wird, wissen wir im
Moment noch nicht, da hierzu bislang
nur wenig belastbare Forschung vorliegt.
Außer Frage steht aber, dass er Fach- und
Führungskräfte zunehmend fordert und
beansprucht. Neben positiven Effekten,
wie etwa eine bessere Arbeitsorganisation
durch digitale Unterstützung, geht digi-
tales Arbeiten aber auch mit Zeitdruck,
Unterbrechungen, Multitasking und einer
Entgrenzung von Arbeit und Freizeit ein-
her. Der Gesetzgeber reagierte auf die
aktuellen Entwicklungen durch eine
Spezifizierung des Arbeitsschutzgeset-
zes im Jahre 2013 (§ 5 Abs. 3 ArbSchG).
Demnach sind Arbeitgeber verpflichtet,
einerseits psychische Belastungen bei
der Arbeit zu erfassen, andererseits ein
Arbeitsumfeld zu gestalten, das gesund-
heitsgefährdenden Arbeitsbedingungen
entgegenwirkt.
Das Arbeitsprogramm „Schutz und
Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbe-
dingten psychischen Belastungen“ – kurz
„Arbeitsprogramm Psyche“ der Gemein-
samen Deutschen Arbeitsschutzstrategie
nennt konkrete Empfehlungen zur Um-
setzung der Gefährdungsbeurteilung psy-
chischer Belastungen und stellt Instru-
mente und Verfahren zur Beurteilung vor.
Eine Checkliste „Merkmale und Inhalte
der Gefährdungsbeurteilung“ gibt einen
Überblick über psychische Belastungs-
faktoren. Hier werden auch eingehend
die sieben Prozessschritte zur Umsetzung
der Gefährdungsbeurteilung psychischer
Belastungen in der unternehmerischen
Praxis erklärt:
Digitales
Arbeiten geht
mit Zeitdruck,
Unterbrechungen,
Multitasking
und entgrenzter
Arbeit einher.
Umso dringender
müssen poten
zielle Stressoren
am Arbeitsplatz
frühzeitig erkannt
und behoben
werden.
Psychische Gefährdungsbeurteilung
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