Personalmagazin 11/2018 - page 85

Datenschutz
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Zudem gehen Einwilligungserklärungen von Arbeitnehmern
meist über den Einzelfall hinaus. Daher wird der Arbeitgeber
oft entsprechende Formulare zur Verfügung stellen, sodass alle
gesetzlichen Regelungen (§§ 305ff BGB) zum Recht der Allge-
meinen Geschäftsbedingungen (AGB) gelten. Verstöße zum Bei-
spiel gegen das Transparenzgebot oder unklare Formulierungen
wirken sich dann zulasten des Arbeitgebers aus und führen im
Zweifel zur Unwirksamkeit der gesamten Erklärung.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf eine Selbstver-
ständlichkeit hingewiesen: Natürlich muss der Erklärende
der Sprache mächtig sein, in der das Formular der informier-
ten Einwilligung abgefasst ist. Eine Übersetzung ist in jedem
Fall erforderlich, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist oder sein
müsste, dass sprachliche Schwierigkeiten bestehen. In Be-
legschaften mit unterschiedlichen Nationalitäten ist dies zu
berücksichtigen.
Informationspflicht des Arbeitgebers:
Theoretisch genügt die Textform
Eine weitere Anforderung im Zusammenhang mit der Ein-
willigung ergibt sich aus Art. 7 Abs. 3 DSGVO beziehungsweise
aus § 26 Abs. 2 Satz 4 BDSG. Danach muss der Arbeitgeber den
Beschäftigten oder Bewerber über den Zweck der Datenver-
arbeitung sowie über das Recht zumWiderruf der Einwilligung
in Textform informieren. Anders als bei der Einwilligungs-
erklärung reicht hier also auch ein Hinweis zum Beispiel auf
der Website oder durch eine schriftliche Erklärung des Arbeit-
gebers. Allerdings ist die vermeintliche Erleichterung für die
Informationspflicht – keine Schrift-, sondern Textform – in
der Praxis wenig relevant. Denn regelmäßig wird der Text der
Einwilligung mit der konkreten Zweckangabe und dem Hin-
weis auf das Widerrufsrecht zu kombinieren sein. Schließlich
ist es kaum denkbar, dass der Beschäftigte eine informierte
Einwilligung ohne Bezug auf die genaue Zweckangabe und das
Widerrufsrecht abgibt.
Gerade bei größeren Belegschaften erfordert die Arbeit mit
Einwilligungen somit ein sorgfältiges und gesondertes Do-
kumentenmanagement. Schließlich sind sämtliche Originale
und auch mögliche Widersprüche so zu verwalten, dass der
Überblick jederzeit gewahrt bleibt. Dies ist besonders im Hin-
blick auf elektronische Datenverarbeitungssysteme bedeutsam,
da hier der tagesaktuelle Stand korrekt abgebildet sein muss.
Geht zum Beispiel ein Widerspruch ein, muss unverzüglich
die weitere Datenverarbeitung im System gesperrt werden.
Dies zeigt bereits, dass Einwilligungen schon aus praktischen
Erwägungen nur in Ausnahmefällen ein taugliches Regelungs-
instrument darstellen.
Die Freiwilligkeit als zentrales Kriterium
im Bewerbungsverfahren
Der Kernpunkt der Regelungen zur Einwilligungserklärung im
Kontext von Beschäftigungen ist die Definition der Freiwillig-
keit. Dabei ist zwischen Erklärungen im Bewerbungsverfahren
und den Einwilligungen im laufenden Arbeitsverhältnis zu
unterscheiden.
Grundlage der europarechtlichen Regelungen – das ergibt
sich aus Art. 7 Abs. 4 DSGVO in Verbindung mit den Erwä-
gungsgründen Nr. 42 und 43 zur DSGVO – ist eigentlich ein
enges Verständnis davon, wann eine Einwilligung freiwillig
erfolgt. Für Bewerbungsverfahren hat sich mittlerweile heraus-
kristallisiert, dass eine typisierende Betrachtungsweise geboten
ist. Ein Bewerber ist – sonst würde er sich nicht an dem Ver-
fahren beteiligen – stark daran interessiert, die ausgeschrie-
bene Stelle angeboten zu bekommen. Er befindet sich somit
in einer besonderen Drucksituation. Verweigert er nämlich
die Einwilligung eines potenziellen Arbeitgebers, dürften sich
bestenfalls seine Chancen im Bewerbungsverfahren verringern.
Oft kann der Bewerber sogar annehmen, dass eine verweigerte
Einwilligung ihn vom weiteren Bewerbungsverfahren komplett
ausschließt – insbesondere, wenn andere Bewerber keine Be-
denken haben.
Vor diesem Hintergrund kann sicher – im Sinne der DSGVO
– von einem extremen Ungleichgewicht zwischen Bewerber
und Arbeitgeber ausgegangen werden. Auch der deutsche Ge-
setzgeber hat in den Gesetzgebungsmaterialien zum BDSG
ausdrücklich anerkannt, dass Beschäftigte vor Abschluss eines
Arbeitsvertrags regelmäßig einer größeren Drucksituation aus-
gesetzt seien, als dies im Beschäftigungsverhältnis selbst der
Fall ist. Daher setzen sich Unternehmen einem hohen Risiko
aus, wenn sie im Bewerbungsverfahren auf Einwilligungserklä-
rungen bauen. Sie können sich nämlich nicht darauf verlassen,
dass die Einwilligung rechtswirksam erteilt wurde und als
Erlaubnistatbestand eingreift. Die Datenerhebung wäre dann
ohne ausreichende Rechtsgrundlage erfolgt und als Verstoß
gegen die DSGVO wäre sie somit grundsätzlich geeignet, einen
Bußgeldtatbestand zu verwirklichen. Zusätzlich bestünde die
Möglichkeit, dass der (abgelehnte) Bewerber Schadensersatz-
ansprüche geltend macht. Dies gilt natürlich erst recht für
fälschlicherweise angenommene mündliche oder gar konklu-
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