Personalmagazin 11/2018 - page 92

„Herr Müller hat das imFachausschuss so abgesegnet.“ Dieser Satz
des Arbeitgebers vor dem Betriebsrat brachte das ohnehin schon
wackelige Vorhaben zumEinsturz. Das Gremiumwar misstrauisch
und erbost – auch wenn Herr Müller es nur gut gemeint hatte.
In einem mittelständischen Industrieunternehmen sollten
jährliche Mitarbeitergespräche eingeführt werden. Der Arbeit-
geber diskutierte das Thema mit den 19 Mitgliedern des Be-
triebsrats. Es gab viele Fragen, verschiedene Meinungen – und
immer wieder Einwände. Die Gespräche zogen sich derart in die
Länge, dass der Arbeitgeber immer wieder auf einen Fachaus-
schuss drängte. Er erhoffte sich dadurch schlicht schnellere Er-
gebnisse. Im Grundsatz begrüßte auch
der Betriebsrat einen Fachausschuss,
die langwierigen Gespräche waren er-
müdend. Das Gremium betrachtete den
Ausschuss jedoch auch mit einer ge-
wissen Skepsis: Wer wusste denn schon
genau, was hinter verschlossenen Türen
vor sich gehen würde? Allen Bedenken
zum Trotz entsandte der Betriebsrat also
vier Mitglieder in den „Fachausschuss
Mitarbeitergespräche“. Die Beteiligten
zeigten sich interessiert an dem Perso-
nalthema. Sie stellten wichtige Fragen,
machten konstruktive Einwände. Am
Ende traten der Fachausschuss und der
Arbeitgeber mit großer Zufriedenheit
vor den Betriebsrat – im Glauben, eine
gute Lösung gefunden zu haben. Gerade
der Arbeitgeber dachte, dass nun – auf-
grund der Vorarbeit – die Entscheidung eigentlich schnell ver-
laufen müsste. Doch es sollte ganz anders kommen.
Tatsächlich hatten nämlich weder Arbeitgeber noch Fachaus-
schuss im Vorfeld definiert, wie das übrige Gremium über die
gesammelten Informationen und Meinungen unterrichtet wird.
Und weil der Fachausschuss diese Mitteilungen an die übrigen
Betriebsratsmitglieder versäumt hatte, verfügte das Gesamt-
gremium nicht über den gleichen Wissensstand wie Arbeitgeber
und Ausschussmitglieder. Das nahm der Arbeitgeber jedoch an,
aus seiner Sicht war das anstehende Meeting reine Formsache.
Ein Irrtum, wie sich schnell herausstellen sollte. Spätestens
nach der Bemerkung, Herr Müller habe dies im Fachausschuss
so abgesegnet, blockierte der Betriebsrat vollends.
Danach war endgültig klar: Kompetenzen waren überschritten,
der Betriebsrat war erbost, Herr Müller beschämt und der Arbeit-
geber schwer irritiert. Er hatte die Zustimmung von Herrn Müller
während der Gespräche im Fachausschuss als Entscheidung des
Betriebsrats fehlinterpretiert. Die Überraschung war nun groß,
dass das Treffen doch keine Formsache werden würde. Herr
Müller wiederum hatte sich zwar bezüglich seiner Kompetenzen
weit aus dem Fenster gelehnt. Er wollte jedoch die übrigen Be-
triebsratsmitglieder keineswegs übergehen. Auch wenn er dem
Arbeitgeber vermittelt hatte, die gefundene Lösung gutzuheißen,
so sollte doch in jedem Fall die Abstimmung im gesamten Gre-
mium stattfinden. Die übrigen Betriebsratsmitglieder wiederum
wollten ihm dies nicht mehr so recht glauben. Das Ergebnis war
viel Zeitaufwand, da das Projekt neu besprochen werden musste.
Wer eine solch verzwickte Situation im Unternehmen vermei-
den möchte, sollte auf vier Punkte achten: Erstens kann der
Arbeitgeber einen Fachausschuss vor-
schlagen, sollte diesen aber nicht im
Alleingang forcieren. Gut möglich, dass
sich auch der Betriebsrat verkürzte Ge-
spräche wünscht. Im Idealfall wird ein
Fachausschuss bereits im Vorfeld als
eine Option der Zusammenarbeit be-
sprochen. Zweitens müssen Arbeitgeber
und Betriebsrat gemeinsam die Kompe-
tenzen und Ziele des Fachausschusses
klar definieren, um Missverständnisse
zu vermeiden. Drittens sollte der Fach-
ausschuss zunächst und grundsätzlich
als Möglichkeit einer strukturierten Mei-
nungsbildung betrachtet werden. Ob
dieser zudem zu einer Entscheidung
kommen soll, muss bei der Definition
der Kompetenzen deutlich werden. Und
viertens: Damit Ausschussmitglieder
nicht zwischen die Stühle von Arbeitgeber und Gremium gera-
ten, sollten Betriebsrat und Arbeitgeber jederzeit für prozessua-
le Transparenz sorgen. So verfügen alle Beteiligten über den
gleichen Wissensstand für eine Entscheidung. Sind diese Voraus-
setzungen gegeben, kann ein Fachausschuss für den Arbeitgeber
einen schnellen Projektabschluss fördern – und Betriebsräte vor
einer Situation zwischen den Stühlen bewahren.
Der Fachausschuss:
Ein Garant für schnelle Ergebnisse oder
eine Keimzelle für neues Misstrauen?
MARCO HOLZAPFEL schreibt in der
Kolumne über die Zusammenarbeit von
Betriebsrat und Arbeitgeber. Der ehema­
lige Personalmanager und Gründer der
Beratung Betriebsdialog ist überzeugt,
dass fast alle Konflikte durch gute Kom­
munikation und Beteiligung zu lösen sind.
Illustration Lea Dohle
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Kolumne Klassenkampf
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