Personalmagazin 11/2018 - page 90

zu beachtende Frist von sechs Monaten
ist also nicht als absolute Höchstgrenze zu
übernehmen, längere Probezeitbefristun-
gen sind prinzipiell möglich. Allerdings
besteht das Risiko, dass der Arbeitnehmer
auf Abschluss eines unbefristeten Folge-
vertrags klagt. Das Argument: Der Sach-
grund sei lediglich vorgeschoben.
Anders als bei der vorgeschalteten
Probezeit akzeptiert das BAG bei be-
fristeten Verträgen mit dem Sachgrund
„Erprobung“ aber ein Überschreiten der
Sechs-Monate-Grenze – jedenfalls bei be-
sonders qualifizierten Mitarbeitern, wie
künstlerisch oder wissenschaftlich täti-
gen Arbeitnehmern. So war für die Rich-
ter bei einem Konzertmeister eines Sinfo-
nieorchesters sogar eine Probezeit von 18
Monaten noch angemessen (BAG-Urteil
vom 12.9.1996, Az. 7 AZR 31/96). Wichtig
im Hinblick auf eine mögliche Auseinan-
dersetzung ist es jedoch, im schriftlichen
Arbeitsvertrag die Gründe für den beson-
ders langen Erprobungszweck detailliert
und klar herauszustellen.
Die Risikovariante: Befristung
mit Einstellungsoption
„Wir stellen Sie zunächst nur mit einem
befristeten Arbeitsvertrag zur Erprobung
ein.“ Angesichts des Fachkräftemangels
erscheint dieses Angebot nicht immer
verlockend. Daher stellen Arbeitgeber
einem Erfolg versprechenden Bewerber,
zum Beispiel im Einstellungsgespräch,
eine Übernahme in Aussicht: „Bei einer
Bewährung innerhalb der befristeten
Tätigkeit steht einer Folgebeschäftigung
aus unserer Sicht nichts im Weg“, heißt
es dann. Mitunter wird auch bereits in
Stellenanzeigen auf eine mögliche Über-
nahme hingewiesen („Eine Übernahme
in ein unbefristetes Beschäftigungsver-
hältnis wird in Aussicht gestellt“).
Derartige Aussagen werden zwar nicht
direkt Vertragsbestandteil, gleichwohl
müssen sich Arbeitsgerichte mitunter da-
mit befassen. Denn manchmal begründen
Arbeitnehmer die Klage auf den Abschluss
eines Folgevertrags damit, dass die Ein-
stellungsoption als vorweggenommene
Zusage einer Übernahme auszulegen ist.
Auch wenn erfolgreiche Prozesse in die-
sen Fällen selten vorkommen: Im Bereich
der Probebefristungen stellen derartige
„Übernahmebemerkungen“ ein Restrisiko
dar. Denn laut Bundesarbeitsgericht gibt
es in Ausnahmefällen – trotz einer wirk-
Das sogenannte
Einfühlungs­
verhältnis sollte
maximal eine
Woche dauern,
freiwillig sein
und ohne
arbeitsrechtliche
Weisungen.
sam vereinbarten Befristung zur Erpro-
bung – eine Übernahmepflicht, wenn der
Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens
des Arbeitgebers mit einer Weiterbe-
schäftigung rechnen durfte. Eine lediglich
subjektive Erwartung des Arbeitnehmers
reicht dafür zwar nicht aus. Anders ist dies
jedoch, wenn der Arbeitgeber dem Arbeit-
nehmer bei Abschluss des befristeten Ar-
beitsvertrags in Aussicht stellt, ihn bei Eig-
nung und Bewährung in ein unbefristetes
Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Ebenso
besteht eine Übernahmepflicht, wenn er
die Erwartungen des Arbeitnehmers, im
Anschluss an den Zeitvertrag unbefristet
weiterbeschäftigt zu werden, während der
Vertragslaufzeit bestärkt hat (BAG-Urteil
vom 26.4.1995, Az. 7 AZR 936/94).
Die alternative Variante: der
Probearbeitstag
„Kommen Sie doch ein paar Tage zum
Probearbeiten. Dann sehen wir und Sie,
ob Sie für den Job überhaupt geeignet
sind.“ Gerade bei Berufsanfängern klingt
ein derartiges Angebot für beide Seiten
vernünftig, wenn damit der Sinn einer
Probezeit quasi schon im Vorfeld eines
Arbeitsvertrags erfüllt werden kann.
Jedoch: Verwenden Arbeitgeber den
Begriff „Probearbeiten“, ist dies eigentlich
schon das Aus für derartige Angebote.
Denn wer „arbeitet“, ist definitionsge-
mäß Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer-
eigenschaft steht insoweit nicht zur Dis-
position der Parteien, sondern ergibt sich
aus § 611a BGB. Darin heißt es: „Zeigt
die tatsächliche Durchführung des Ver-
tragsverhältnisses, dass es sich um ein
Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf
die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“
Gleichwohl ist von der Rechtsprechung
anerkannt, dass es möglich ist, einen
Bewerber mit den Tätigkeiten vertraut
zu machen, die er im Falle einer arbeits-
rechtlichen Vereinbarung durchführen
muss. Das Zauberwort heißt hier „Ein-
fühlungsverhältnis“. Es beschreibt ein
Rechtsverhältnis eigener Art, bei dem
anerkannt wird, dass eine „Probiertätig-
keit“ ohne Vergütungsanspruch und ohne
Arbeitspflicht aufgrund der Vertragsfrei-
heit grundsätzlich zulässig ist.
Dabei darf eine Zeitspanne von weni-
gen Tagen bis maximal einer Woche nicht
überschritten werden. Auch muss der
gesamte Vorgang des „Probierens“ frei-
willig sein, es dürfen dem Stellenbewer-
ber keine arbeitsrechtlichen Weisungen
erteilt werden. Gleichwohl braucht sich
die Tätigkeit nicht auf das bloße Zuschau-
en beschränken. Der Stellenbewerber soll
ja, um eine Aussage über seine Fähigkeit
zu ermöglichen, diese auch tatsächlich
unter Beweis stellen können. Wie das ei-
ner gerichtlichen Überprüfung standhal-
ten kann, zeigt ein Blick in das Sozialver-
sicherungsrecht, das eine Probearbeit
ebenfalls für zulässig erachtet. Hier dür-
fen die tatsächlichen Arbeitsergebnisse
jedoch zu keiner messbaren wirtschaft-
lichen Verwertung führen.
THOMAS MUSCHIOL ist Rechtsanwalt
im Arbeits- und betrieblichen Sozialver-
sicherungsrecht in Freiburg.
HR-Management
personalmagazin 11.18
90
1...,80,81,82,83,84,85,86,87,88,89 91,92,93,94,95,96,97,98,99,...100
Powered by FlippingBook