Personalmagazin 6/2017 - page 16

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TITEL
_FREMDPERSONALEINSATZ
personalmagazin 06/17
S
eit dem 1. April 2017 müssen
sichdie Personalabteilungender
Unternehmen auf neue arbeits­
rechtliche Regeln einstellen.
Die Reform des Rechts des Fremdperso­
naleinsatzes bringt wichtige Verände­
rungen für die Personalgestellung auf
der Grundlage von Werkverträgen und
Leiharbeit. Die Zeitarbeit wird erneut
stärker reguliert, ihr Einsatz erschwert.
Nur wenig Rechtssicherheit gibt es für
den Einsatz von Werkverträgen.
Durch die im Arbeitnehmerüberlas­
sungsgesetz (AÜG) verankerte Pflicht
zur Offenlegung einer Arbeitnehmer­
überlassung findet faktisch eine Risiko­
verschiebung zulasten der Unternehmen
statt, im Übrigen bleibt die Rechtslage
trotz eines neuen § 611a BGB unverän­
dert. Aus der Fülle der Rechtsfragen, die
sich in der Praxis bei der Anwendung
des neuen Rechts stellen, sollen zehn
besonders wichtige herausgegriffen und
beantwortet werden.
Wie lässt sich der Vorwurf des
Scheinwerkvertrags vermeiden?
Mit der erstmaligen Regelung des Ar­
beitsvertrags durch § 611a BGB und
der Definition des Leiharbeitnehmers in
§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ändert sich die
bisherige Rechtslage nicht. Weiterhin
ist für den rechtssicheren Einsatz von
Fremdpersonal auf der Basis von Dienst-
oder Werkverträgen sowohl auf eine
eindeutige Vertragsgestaltung als auch
auf die vertragskonforme tatsächliche
Durchführung des Einsatzes zu achten.
Von
Martin Henssler
Entscheidend ist stets eine Gesamtwür­
digung. Je stärker sich die Parteien aber
an den folgenden (für sich genommen
nicht zwingenden) Aspekten orientie­
ren, desto höher ist die Wahrscheinlich­
keit, dass die Rechtsprechung eine Ar­
beitnehmerüberlassung verneint:
Der Inhalt der Leistung ist im Ver­
trag so konkret wie möglich festgelegt
und von sonstigen Arbeitsprozessen
abgrenzbar, abnahmefähig und dem
Auftragnehmer als eigene Leistung zu­
rechenbar
Die Leistung erschöpft sich in vertrag­
lich festgelegter Werkerstellung
Die Werkleistung wird erfolgsorien­
tiert abgerechnet
Der Auftragnehmer organisiert die für
die Erreichung eines wirtschaftlichen
Erfolgs notwendigen Handlungen nach
eigenen betrieblichen Voraussetzungen
Die Leistung kann nach Maßgabe des
Vertrags auch durch Dritte erbracht
werden
Der Auftragnehmer bringt eigene Ar­
beitsmittel und spezielles Know-how ein
Der Auftragnehmer wird für mehrere
Auftraggeber mit gleichem Beratungs-
beziehungsweise Leistungsbedarf tätig
Haftung des Auftragnehmers für den
Eintritt des Erfolgs (eventuell branchen­
spezifische Haftpflichtversicherung)
Haftung des Auftragnehmers für durch
sein eingesetztes Personal verschuldete
Schäden
Kein Einfluss des Auftraggebers auf
Anzahl und Qualifikation der an der
Dienstleistung beteiligten Personen
Weiterbildung/Schulung des einge­
setzten Personals durch Auftragnehmer
Nach der neuen Geschäftsanweisung
der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom
März 2017 („Fachliche Weisungen – Ar­
beitnehmerüberlassungsgesetz“) soll es
gegen die Qualifizierung als Werkvertrag
sprechen, wenn gleichzeitig oder über
einen bestimmten Zeitraum eine Summe
von Klein- und Kleinstprojekten verge­
ben sowie wenn lediglich die Leistung
einfacherer Arbeiten benötigt wird (zum
Beispiel Schreibarbeiten, Botendienste,
einfache Zeichenarbeiten, Maschinenbe­
dienung, Dateneingaben). Ist die Personal­
gestellung nur eine Nebenleistung eines
Kauf- oder Mietvertrags, ist sie dagegen
regelmäßig nicht als Arbeitnehmerüber­
lassung einzuordnen.
Können On-Site-Werkverträge noch
rechtssicher gehandhabt werden?
Das neue Recht bringt insoweit kaum zu­
sätzliche Rechtssicherheit. Wie bislang
schon gilt: On-Site-Werkverträge – dabei
werden die Werkvertragsleistungen auf
dem Betriebsgelände des Auftraggebers
durchgeführt – sind nicht bereits deswe­
gen als sogenannte Scheinwerkverträge
anzusehen, weil die Werkleistung in
der fremden Betriebsorganisation er­
bracht wird. Diesem Umstand kommt
nicht einmal eine Indizwirkung zu, da
vielfach schon aus der Natur der Sa­
che folgt, dass die Werkleistung nur in
räumlicher Nähe zum Besteller erbracht
werden kann. So kann der Maler die Re­
novierungsarbeiten nur innerhalb des
Hauses des Bestellers vornehmen.
Die Auslagerung einzelner Arbeits­
schritte ist auch dann zulässig, wenn
diese im Betrieb des Auftraggebers mit
Zehn Fragen, zehn Antworten
PRAXIS.
Die Anwendung der neuen Regeln zum Fremdpersonaleinsatz kann zu
kniffligen Rechtsfragen führen. Wie wichtige Praxisprobleme anzugehen sind.
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