Personalmagazin 6/2017 - page 19

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06/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
weisung der Bundesagentur: „Die nach
Monaten bestimmte Frist beginnt mit dem
ersten Tag der Überlassung und endet
mit Ablauf desjenigen Tages des letzten
Monats, welcher dem Tag vorhergeht, der
durch seine Benennung oder seine Zahl
dem Anfangstag der Frist entspricht.“
Beginnt also eine Überlassung am 3. Juni
2017, ist sie bis zum 2. Dezember 2018
zulässig. Bei Unterbrechungen ist zu be­
achten, dass Krankheit, Urlaub oder Fei­
ertage nicht zu einer Unterbrechung des
Fristenlaufs führen, wohl aber eine end­
gültige Beendigung des Einsatzes. Das
gilt auch dann, wenn der nächste Einsatz
zwar schon geplant ist, der konkrete Be­
darf aber noch nicht feststeht.
Kann vom Gebot der Gleichstellung
für Leiharbeiter abgewichen werden?
Von dem nun in § 8 AÜG geregelten
Grundsatz der Gleichstellung der Leih­
arbeitnehmer mit der Stammbelegschaft
des Entleihers gibt es für die Praxis be­
deutsame Ausnahmen. Abweichungen
sind aber nur aufgrund eines Tarifver­
trags möglich. So darf das Arbeitsentgelt
in den ersten neun Monaten abgesenkt
werden, freilich nicht unter das Niveau
des für die Zeitarbeit geltenden Mindest­
lohns. Die Höchstfrist verlängert sich
auf 15 Monate, wenn durch sogenannte
Branchenzuschlagstarifverträge
nach
einer Einarbeitungszeit von sechs Wo­
chen eine stufenweise Heranführung an
ein Gehaltsniveau erfolgt, das die Tarif­
parteien als „Equal Pay“ definieren. Von
sonstigen Arbeitsbedingungen, zum
Beispiel von Urlaubsregeln, kann sogar
ohne Höchstgrenze durch Tarifvertrag
abgewichen werden.
Positiv ist, dass im Geltungsbereich
eines Tarifvertrags auch nicht tarif­
gebundene Verleiher über arbeitsver­
tragliche Bezugnahmeklauseln vom
Gleichstellungsgebot abweichen dürfen.
Was gilt für vor dem 1. April 2017
geschlossene Überlassungsverträge?
Vor April geschlossene Überlassungs­
verträge müssen grundsätzlich den neu­
en Anforderungen des AÜG entsprechen.
Das gilt etwa für die Kennzeichnungs-
und Konkretisierungspflicht. Verleiher
müssen somit laufende Überlassungs­
verträge entsprechend kennzeichnen
und die eingesetzten Leiharbeitnehmer
zumindest in Textform (zum Beispiel per
Mail an den Entleiher) konkretisieren.
Unternehmerfreundliche Erleichte­
rungen sieht das Gesetz für die Berech­
nung der Höchstüberlassungsdauer
sowie für tarifliche Abweichungen vom
Equal-Pay-Grundsatz vor. In beiden Fäl­
len werden Überlassungszeiten vor dem
1. April nicht berücksichtigt. Wurde ein
Leiharbeitnehmer also am 1. Januar
2016 überlassen, endet die Höchstüber­
lassungsfrist nicht schon am 30. Juni
2017, sondern erst am 30. September
2018.
Gibt es Unterschiede hinsichtlich der
Beteiligungsrechte des Betriebsrats?
Ob der Arbeitgeber Fremdpersonal auf
Basis von Dienst- oder Werkverträgen
einsetzt, liegt weiterhin allein in seiner
Entscheidungsmacht. Dem Betriebsrat
steht kein Zustimmungsverweigerungs­
recht gemäß § 99 Betriebsverfassungs­
gesetz (BetrVG) zu. Er hat aber einen
Informationsanspruch, soweit er die
Auskünfte zur Erfüllung seiner Aufga­
ben benötigt. Grundsätzlich muss der
Arbeitgeber den Betriebsrat daher bei
jedem Fremdpersonaleinsatz über die
Art und Dauer der Tätigkeit informie­
ren. Der Betriebsrat kann Einsicht in
den Überlassungs-, Dienst- oder Werk­
vertrag und zudem eine schriftliche Be­
stätigung des Bestehens einer Überlas­
sungserlaubnis verlangen. Hinsichtlich
der Arbeitsverträge des überlassenen
Personals stehen ihm dagegen keine In­
formationsrechte zu.
Bei der Einstellung von Leiharbeit­
nehmern besteht neben der allgemei­
nen Informationspflicht nach § 80 Abs.
2 BetrVG wie schon nach bislang gel­
tendem Recht ein Mitbestimmungsrecht
des Entleiher-Betriebsrats nach § 99
Abs. 2 BetrVG. Die Zustimmung kann
nur aus den Gründen des § 99 Abs. 2
BetrVG verweigert werden. Dazu zählt
ein Verstoß gegen die Höchstüberlas­
sungsdauer, nicht aber ein Verstoß ge­
gen das Gleichstellungsgebot.
PROF. DR. MARTIN HENSS-
LER
ist Geschäftsführender Di-
rektor des Instituts für Arbeits-
und Wirtschaftsrecht sowie
Prorektor für Planung und wissenschaftliches
Personal an der Universität zu Köln.
Wie sich die Neuregelungen im Bereich von Zeitarbeit und Werkverträgen auswir-
ken, beschreibt das Buch von Professor Martin Henssler und Timon Grau.
Die rechtlichen Fragen, die sich in der Praxis zum Einsatz
von Fremdpersonal in Unternehmen stellen, können getrost
als komplex bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang
erklären die namhaften Autoren des Buchs die Neuregelun-
gen durch die AÜG-Reform sowie die neue Vorschrift des
§ 611a BGB und stellen die Auswirkungen der gesetzlichen
Vorschriften auf die Praxis dar. Auch Fragen zum Einsatz von
Solo-Selbstständigen werden behandelt, sodass ein kom-
pakter rechtlicher Überblick gelungen ist – angereichert um
Praxishinweise, Formulierungsvorschläge und Checklisten.
Prof. Dr. Martin Henssler/Dr. Timon Grau (Hrsg.): Arbeitnehmerüberlassung und Werkver-
träge. 448 Seiten, Deutscher Anwaltsverlag, Bonn, 2017. 49,00 Euro.
BUCHTIPP
Die AÜG-Reform in der Praxis
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