Personalmagazin 6/2017 - page 21

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06/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Indizien ...
Werkvertrag (WV) oder Dienstvertrag (DV)
Arbeitsverhältnis (AV) oder Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ)
... bei der Vertrags­
gestaltung
Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertrags-
parteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen einer erforderlichen Gesamtabwägung zu berücksichtigen (BAG, Az. 5 AZR 332/09).
Vertragsbezeichnung Über die rechtliche Einordnung eines als WV oder DV bezeichneten Vertragsverhält-
nisses entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die gewünschte Rechtsfolge
.
Wird eine Vereinbarung als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
bezeichnet, stellt dies ein starkes Indiz für eine ANÜ dar.
Persönliche Pflicht zur
Leistungserbringung
Der DV ist dadurch gekennzeichnet, dass der Auftragnehmer die Leistungen persönlich
erbringt.
Beim WV stellt diese Pflicht ein Indiz für ANÜ dar. Die Persona-
lisierung des abgerufenen Personals sollte daher unterbleiben.
Etwas anderes gilt nur, soweit es für die Vertragserfüllung auf
die Qualifikation des eingesetzten Personals ankommt.
Konkretisierung des
Leistungsgegenstands
Die inhaltliche und gegebenenfalls zeitliche Konkretisierung des Leistungsgegen-
stands stellt ein starkes Indiz für das Vorliegen eines WV/DV dar. Je klarer die von
dem Auftragnehmer geschuldete Werk- oder Dienstleistung definiert ist, desto
eher spricht dies dafür, dass der Auftraggeber nur (fachliche) Anweisungen für die
Ausführung des WV/DV erteilen muss (BAG, Az. 3 AZR 395/11).
Führt der Auftragnehmer Tätigkeiten für den Auftraggeber aus,
die nicht Gegenstand des Vertragsverhältnisses sind, spricht
dies für eine ANÜ (LAG Hamm, Az. 3 Sa 1749/12). Die vom Auf-
tragnehmer zu erbringenden Leistungen richten sich dann allein
nach dem Bedarf des Auftraggebers, der von ihm nach Inhalt,
Durchführung, Zeit, Ort und Dauer durch (arbeitsrechtliche) Wei-
sungen konkretisiert werden muss (BAG, Az. 10 AZR 282/12).
Abrechnung (Festpreis,
erfolgsabhängig oder
nach Stunden)
Die Abrechnung nach Festpreisen beziehungsweise auf Grundlage einer erfolgsab-
hängigen Vergütung stellt ein Indiz für das Vorliegen eines WV/DV dar (BAG, Az. 7
ABR 21/88). Die Abrechnung nach Stunden ist kein Indiz für eine ANÜ.
Berechtigung des
Auftragnehmers zur
Unterbeauftragung der
Leistungen
Die Berechtigung stellt ein starkes Indiz für das Vorliegen eines WV/DV dar (BGH,
Az. X ZR 83/00). Wichtig für Dreiecksverhältnisse mit der Unterbeauftragung an
Solo-Selbstständige: Handelt es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen dem Auf-
tragnehmer und dem unterbeauftragten Solo-Selbstständigen nach Maßgabe des
§ 611a BGB um einen echten Dienstvertrag, scheidet eine ANÜ an den Auftragge-
ber aus (BAG, Az. 7 AZR 217/94; LAG Düsseldorf, Az. 3 Sa 6/15).
Zeitliche Dauer der
Zusammenarbeit
Dies stellt für sich genommen kein Indiz für ANÜ dar. Arbeitsaufgaben können
dauerhaft auf Dritte mittels WV/DV übertragen werden (BAG, Az. 7 AZR 284/91).
Übertragung des
Weisungsrechts auf
Auftraggeber
Die vertragliche Übertragung eines umfassenden Weisungs-
rechts (fachlich und disziplinarisch) auf den Auftraggeber stellt
ein starkes Indiz für eine ANÜ dar (BAG, Az. 9 AZR 735/15).
Gewährleistung und
Haftung
Die vertragliche Vereinbarung von Haftungsregelungen stellt ein starkes Indiz für
einen WV/DV dar (BAG, Az. 9 AZR 735/15). Laut LAG Baden-Württemberg (Az. 2 Sa
6/13) muss die Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten in der Praxis auch
gelebt werden (Kein Werkvertrag ohne Abnahme und Gewährleistung).
ABGRENZUNGSKRITERIEN
QUELLE: SEBASTIAN MAISS, VANGARD
Die Übersicht zeigt, wie die unterschiedlichen Formen des Fremdpersonaleinsatzes voneinander abzugrenzen sind. Genannt sind Indizien,
die entweder für die Durchführung auf Grundlage von Werk- oder Dienstverträgen sprechen oder für Zeitarbeit stehen.
... bei der Vertrags­
durchführung
Das Kriterium für die Statusbewertung ist die Integration des Auftragnehmers in die Organisation des Auftraggebers. Entscheidend ist, ob der Auftrag-
geber die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über den Arbeitseinsatz des Fremdpersonals trifft (BAG, Az. 1 ABR 50/12).
Tatsächliche Ausübung
des Weisungsrechts
durch Auftraggeber
Es ist zwischen den werk- oder projektbezogenen fachlichen und den arbeitsrechtli-
chen Weisungen zu unterscheiden. Fachliche Weisungen stehen dem Auftraggeber
nach § 645 Abs. 1 BGB zu. Es handelt sich um solche, die die Inhalte der im DV/
WV vereinbarten Leistung regeln, zum Beispiel Qualitätsvorgaben, Größenangaben,
Stückzahl, Fertigungsmethoden. Diese Weisungen sind zulässig (BAG, Az. 7 AZR
723/10). Etabliert haben sich Repräsentanten- oder Ticketsysteme, über die der
Abruf der vertraglichen Leistung gesteuert wird.
Unzulässig sind arbeitsrechtliche Weisungen, durch die der
Einsatz der Fremdarbeiter nach Inhalt, Zeit und Ort konkreti-
siert wird. Sie stellen ein starkes Indiz für das Vorliegen einer
ANÜ dar.
Überlassung von
Betriebsmitteln
Auch bei WV/DV kann der Auftraggeber Betriebsmittel stellen (BAG, Az. 7 AZR
723/10)
Dies stellt nur ein schwaches Indiz für ANÜ dar. (zur Bekleidung
für Messehostessen, LSG NW, Az. L 8 R 278/14).
Enge räumliche
Zusammenarbeit mit
Auftraggeber
Die enge räumliche Zusammenarbeit zwischen Fremdpersonal und Personal des
Auftraggebers ist insbesondere im Projektgeschäft und bei standortgebundenen
Leistungen (etwa im Sicherheitsgewerbe) der Normalfall und kein Indiz für ANÜ.
Onsite-Werk- oder Dienstverträge ohne eine weisungsgebundene Eingliederung in
den Betrieb des Auftraggebers sind daher zulässig (BAG, Az. 9 AZR 98/14).
Die enge räumliche Zusammenarbeit stellt nur dann ein Indiz
für eine ANÜ dar, wenn ein derartiges Zusammenwirken durch
die Natur des Werks oder der Dienstleistung nicht erforderlich
ist.
Vorgaben des Auftrag­
gebers zur Arbeitszeit
Solche Vorgaben zum Zeitpunkt der Leistungserbringung stellen
nur ein Indiz für eine ANÜ dar, wenn diese durch die Natur des
Werks oder der Dienstleistung nicht erforderlich sind.
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