Personalmagazin 6/2017 - page 15

06/17 personalmagazin
15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
ren Wegen, besserer Kommunikation
und mehr Möglichkeiten für individuelle
Lösungen.
Entweder kompliziert oder riskant
Auch wenn es bei BMW nur ein zeitli-
cher Zufall war: Nach Inkrafttreten der
Reform stellt sich die Frage, ob es einen
Trend weg von Werkverträgen gibt.
Schließlich ist das Instrument „Werk-
vertrag“ durch die Neureglung im AÜG
mit mehr Risiko verbunden. Weg vom
Werkvertrag, hin zur Zeitarbeit wäre
allerdings auch keine einfache Lösung.
Schließlich ist die Arbeitnehmerüber-
lassung durch die vielen neuen AÜG-
Hürden komplizierter geworden.
Konkret hat der Gesetzgeber Fol-
gendes eingeführt: die Überlassungs-
höchstdauer (eine zeitliche Obergrenze
für Zeitarbeit von 18 Monaten, soweit
keine tarifvertraglichen Abweichungen
bestehen), „Equal Pay“ (Gleichstellung
mit der Stammbelegschaft bezüglich des
Entgelts nach neun bis maximal 15 Mo-
naten), die Offenlegungspflicht (ein Ar-
beitnehmerüberlassungsvertrag ist vor
dem Einsatz als solcher zu bezeichnen)
und die Konkretisierungspflicht
(der konkret eingesetzte
Leiharbeiter ist vor dem
Einsatz namentlich zu
benennen). Eine weitere
Änderung betrifft den Ar-
beitskampf: Zeitarbeiter
dürfen nicht als Streik-
brecher eingesetzt werden. Au-
ßerdem zählen sie künftig bei den
betriebsverfassungsrechtlichen Schwel-
lenwerten beim Entleiher mit. All diese
Vorgaben führen zu mehr Aufwand für
Unternehmen wie Dienstleister (zu den
wichtigsten praktischen Problemen der
AÜG-Reform lesen Sie den Beitrag „Zehn
Fragen, zehn Antworten“).
Die neuen Sanktionen im AÜG
Daneben hat der Gesetzgeber die Sank-
tionen bei Verstößen gegen das AÜG
erheblich verschärft. Und zwar nicht
nur für Verleiher, sondern auch für
Entleiher, zum Beispiel beim Verstoß
gegen die Offenlegungs- und Konkreti-
sierungspflichten. Wenn also Dienstleis-
ter und Unternehmer einen Werkver-
trag vereinbaren, der tatsächlich jedoch
als Zeitarbeit durchgeführt wird, dann
wird der (nicht gewollte) Arbeitneh-
merüberlassungsvertrag nicht als ein
solcher bezeichnet, sondern vermutlich
als Werkvertrag. Und auch die einge-
setzten Mitarbeiter sind nicht näher
konkretisiert, weil das beim eigentlich
gewollten Werkvertrag nicht nötig ist.
In diesem Fall hilft auch eine Überlas-
sungserlaubnis des Dienstleisters nicht
(mehr): Es drohen neben einem saftigen
Bußgeld auch noch Vergütungsansprü-
che des eingesetzten Mitarbeiters, da
quasi kraft Gesetz ein Arbeitsverhältnis
zwischen ihm und dem Auftraggeber
zustande kommt. Viel schlimmer dürfte
die Unternehmen jedoch die Nachzah-
lungen von Sozialversicherungsbeiträ-
gen treffen und daraus abgeleitet die
Gefahr der Strafverfolgung für die Ge-
schäftsführung – wegen Hinterziehung
von Sozialversicherungsbeiträgen.
Im Ergebnis tragen nun also die Unter-
nehmen das Risiko, wenn die – juristisch
nicht unbedingt triviale – Abgrenzung
zwischen Werkvertrag und Zeitarbeit
misslingt (zur Abgrenzung lesen Sie den
Beitrag „Was für welche Form spricht“).
Lediglich die sogenannte Festhal-
tenserklärung kann die Konsequenzen
abschwächen. Der eingesetzte Mitar-
beiter macht damit klar, dass er auch
künftig beim Dienstleister beschäftigt
bleiben möchte. Das Arbeitsverhältnis
zum Entleiher kommt dadurch nicht zu-
stande. Die Probleme dabei sind jedoch:
Ein mögliches Bußgeld bleibt trotz des
Bekenntnisses zum alten Arbeitgeber
bestehen, das Prozedere der Festhal-
tenserklärung ist umständlich gestaltet
und nicht zuletzt muss der eingesetzte
Mitarbeiter tatsächlich auch beim alten
Arbeitgeber bleiben wollen.
Fremdpersonal aktiv managen
Gibt es bei den Konsequenzen also
doch einen Trend weg von den Werk-
verträgen? Das erhöhte Risiko und ein
möglicher Imageschaden führen sicher-
lich dazu, dass manches Unternehmen
bei Verträgen im Graubereich eher zur
Arbeitnehmerüberlassung
tendiert.
Andererseits: Unternehmen brauchen
Spezialisten für ihr Projekt- und Innova-
tionsgeschäft. Gerade diese sind jedoch
nicht immer gewillt, ihren Status als
Selbstständige zugunsten der Arbeit-
nehmerüberlassung aufzugeben.
Auch deshalb entscheiden sich derzeit
viele Unternehmen, bei der Gestaltung
und Umsetzung von Werk- oder Dienst-
verträgen noch genauer hinzuschauen.
Die Reform kann also ein guter Anlass
sein, den Einsatz von Fremdpersonal
grundsätzlich und systematisch zu ge-
stalten und die Prozesse so aufzusetzen,
dass Externe gerade über Werkverträge
rechtssicher eingebunden werden kön-
nen. Das dürfte zwar mit zusätzlichem
bürokratischen Aufwand verbunden
sein. Dennoch sollten Unternehmen die
Fragen im Zusammenhang mit dem Ein-
satz von Externen aktiv angehen und
Lösungen zum Beispiel für die Beauftra-
gungsphase finden – etwa durch Schu-
lungen der Zuständigen in der Fach- oder
Einkaufsabteilung. Aber auch laufende
Einsätze gilt es zu berücksichtigen, zum
Beispiel durch regelmäßige Prüfung, ob
die zulässig vereinbarten Rahmenbedin-
gungen auch gelebt werden.
Es lohnt sich also, die Voraussetzun-
gen für einen rechtssicheren Einsatz
von Externen – in der jeweils passenden
Form – zu schaffen. Dann müssen Un-
ternehmen weder Sanktionen fürchten
noch in Alternativmodelle flüchten.
Unternehmen könnten
sich nun häufiger gegen
einen Werkvertrag und
für die Zeitarbeit ent-
scheiden. Damit entge-
hen sie Risiken – gehen
aber auch neue ein.
© QUINKY / SHUTTERSTOCK.COM; SUDOWOODO / SHUTTERSTOCK.COM
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...84
Powered by FlippingBook