personalmagazin 9/2017 - page 16

16
TITEL
_AGILITÄT
personalmagazin 09/17
nergebnisse zeigen, dass bereichsüber-
greifende Projektgruppen die Ausnahme
sind. Dabei sollte das die Regel sein.
Rotzinger:
Das demokratische Unterneh-
men, wie wir das bei Haufe-Umantis
umsetzen, ist eine, allerdings sehr ein-
drückliche, Spielart einer agilen Organi-
sation. Nach unserer Auffassung können
Unternehmen Agilität in unterschied-
licher Ausprägung einführen– so wie
es zu ihrem Geschäft und ihrer Kultur
passt. In der Haufe Gruppe machen wir
das auch so: Bei Haufe-Umantis haben
wir einen hohen Ausprägungsgrad einer
agilen Organisation, in anderen Unter-
nehmenseinheiten arbeiten wir mit klas-
sischen Organisationsmodellen, in man-
chen Einheiten mit einer Mischform.
personalmagazin:
Laut der Studie halten
die meisten Führungskräfte Agilität für
wichtig, doch die Nutzung agiler Metho-
den stagniert. Wie erklären Sie sich das?
Anderson:
Das deckt sich nicht mit un-
seren Beobachtungen. Wir sehen vie-
le Unternehmen, die Design Thinking
und Scrum-Workshops durchführen,
sie denken aus Kundenperspektive
und visualisieren Problemstellungen.
Vielleicht fällt das den Leuten gar nicht
mehr auf. Wir sind da noch nicht am
Ende der Entwicklung, aber der Durch-
dringungsgrad bei unseren Kunden ist
mittlerweile recht hoch.
Rotzinger:
Mit dem Besuch eines Scrum-
Seminars ist es nun mal nicht getan. In
vielen Unternehmen wird die Dringlich-
keit des Themas oft unterschätzt. Wieso
sollte ich agile Strukturen einführen,
wenn mein bisheriges Organisations-
Wie agile Projekte gelingen
DOPPELINTERVIEW.
Warum tun sich die Unternehmen mit der Umsetzung von Agilität
so schwer? Was bedeuten die Studienergebnisse für die Beratungspraxis?
personalmagazin:
Warum ist das Thema
‚Agilität‘ in Unternehmen so wichtig,
dass Sie dazu extra eine Studie in Auf-
trag gegeben haben?
Joachim Rotzinger:
Die Markt- und Kun-
denanforderungen haben sich geändert,
Produktzyklen werden kürzer, Kunden-
bedürfnisse individueller. Unternehmen
müssen in der Lage sein, darauf schnell zu
reagieren und im besten Fall Trends anti-
zipieren und mitgestalten. Agile Struktu-
ren und Prozesse sind dafür eine Grund-
voraussetzung. Mit der Studie möchten
wir ein realistisches Bild davon erhal-
ten, wie agil Unternehmen heute sind.
Kai Anderson:
Bei der Gründung von Pro-
merit war unsere Idee, dass der Mensch
und damit People-Management der
einzige kritische Erfolgsfaktor ist. Als
wir vor einigen Jahren erstmals große
Veränderungsprojekte außerhalb der
HR-Domäne betreuten, haben wir fest-
gestellt: Nur mit Kulturarbeit, einer
Neuausrichtung der Führung, neuen
Methoden und Kompetenzen lassen
sich grundlegende Veränderungen er-
folgreich umsetzen. Das war für uns der
Auslöser, uns mit Agilität zu beschäfti-
gen, was sich in meinem 2015 erschie-
nenen Buch ‚Das agile Unternehmen’
niedergeschlagen hat. Und so waren wir
begeistert, uns bei dieser von Haufe an-
gestoßenen Studie einzubringen.
personalmagazin:
Was hat Sie an den Stu-
dienergebnissen am meisten überrascht?
Rotzinger:
Die Oberflächlichkeit, mit der
Agilität immer noch angegangen wird.
Zwar sagen die meisten Befragten, ihr
Unternehmen sei agiler als der Wettbe-
werb. Doch steigt man tiefer ein, wird
offensichtlich, dass fast keine Maßnah-
men zur Steigerung der Agilität ange-
wandt werden.
Anderson:
Viele Unternehmen sind in
Command-and-Control-Strukturen sozia-
lisiert, die nach wie vor das Denken und
Handeln bestimmen. Der Gegenentwurf
ist für mich nicht ein demokratisches Un-
ternehmen, ohne den Kollegen von Hau-
fe-Umantis zu nahe treten zu wollen. Viel
wichtiger ist doch, dass wir das seit Ewig-
keiten beklagte Silo-Denken überwinden,
das tiefgreifende Veränderungen verhin-
dert. Was nützt es uns, wenn wir zwar
zunehmend agile Projektgruppen haben,
diese aber in erster Linie im eigenen
Beritt unterwegs sind? Unsere Studie-
KAI ANDERSON
ist Mitgründer und Ge-
schäftsführer der Unternehmensberatung
Promerit.
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,...92
Powered by FlippingBook