personalmagazin 9/2017 - page 10

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TITEL
_
AGILITÄT
A
gilität“ ist seit einigen Jahren
die Antwort des Managements
und der Managementberater
auf grundlegende Umbrüche
in Technologie, Kundenbeziehungen und
Geschäftsmodellen. Inzwischen werden
unter Agilität ganz unterschiedliche Me-
thoden und Denkmuster subsumiert. Der
Begriff verliert an Schärfe und „agile Un-
ternehmensführung“ ist davon bedroht,
dem Lebenszyklus vergangener Manage-
mentmethoden zu folgen. Andererseits
existieren zahlreiche Praxisbeispiele, in
denen Unternehmen eine erfolgreiche
Veränderung in Richtung Agilität durch-
geführt haben. Dabei handelt es sich um
langfristige und schrittweise Transfor-
mationen, die weniger an der schnellen
Implementierung einzelner Tools („quick
fixes“) als an der grundlegenden Ausrich-
tung der Führungsmodelle ausgerichtet
sind. Wenn Agilität nicht an diesen Wur-
zeln der Unternehmensführung ansetzt,
werden die erwünschten Erfolge aus-
bleiben und sie droht in der Mottenkiste
der Managementtools zu verschwinden.
Grund genug, sich den Umsetzungsstand
in Führung, Prozessen, Strategie und
Strukturen genauer anzuschauen.
Forschungsstand und
Studienlandschaft
Obwohl der Begriff der Agilität in der
Unternehmensführung vergleichswei-
se jung ist, baut er auf einem breiten
Fundament in der Organisationsfor-
schung auf und besitzt Anknüpfungs-
punkte zum Change Management oder
Von
Heiko Weckmüller
zum Konzept der Wettbewerbsvorteile
im strategischen Management. Dabei
zeigte sich früh, dass Anpassungs-
fähigkeit ein Merkmal langfristig
erfolgreicher Unternehmen ist, sich
wachstumsfördernd auswirkt und das
Überleben von Organisationen in Kri-
senzeiten sichern kann. Gleichzeitig
kristallisierte sich heraus, dass auch
ein Übermaß an Flexibilität schädlich
sein kann. Dem wurde in unterschied-
lichen Weiterentwicklungen Rechnung
getragen, wie zum Beispiel im Konzept
der organisationalen Identität als lang-
fristig konstantem Identifikationskern
der Organisation.
Die stärkste Verbreitung sowohl in
der Managementpraxis als auch in der
empirischen Forschung hat das Konzept
der „Ambidextrie“ erlangt, das heißt der
gleichzeitigen Ausrichtung an Effizienz
und Flexibilität. Deren Einfluss auf den
Unternehmenserfolg wurde 2013 von
der Forscherin Paulina Junni und Kol-
legen metaanalytisch untersucht. Über-
greifend lässt sich ein robuster, positiver
mittelstarker Effekt auf unternehme-
rische Erfolgsgrößen nachweisen. Der
Effekt ist am größten für Technologie-
und Dienstleistungsunternehmen. Die-
se Befunde bestätigen auch methodisch
anspruchsvollere Längsschnittanalysen.
Zudem lässt sich der Performance-Ef-
fekt unabhängig davon nachweisen, ob
objektive oder subjektive Erfolgsmaße
herangezogen werden, wobei die Effekt-
stärke bei subjektiver Messung etwas
höher ist. Dieser Befund ist nützlich für
die Interpretation von Studien, die – wie
die im Folgenden vorgestellte – auf Be-
fragungsergebnissen basieren.
Auf dieser Basis wurden zuletzt eine
Reihe stärker praxisorientierter Studien
vorwiegend von Beratungsunternehmen
vorgelegt, die sich mit den Rahmenbe-
dingungen von Agilität beschäftigen.
Diese beruhen in der Regel auf einem
qualitativen Design oder nutzen kleine
beziehungsweise nicht repräsentative
Stichproben. Eine besondere Stellung
nimmt in diesem Kontext die zum drit-
ten Mal durchgeführte Studie zum Nut-
zungsgrad agiler Methoden von Ayelt
Komus (Hochschule Koblenz) ein, an
der zuletzt 1.000 Befragte teilgenommen
haben, die allerdings verstärkt im un-
mittelbaren IT-Umfeld tätig sind. Über
all diese Studien hinweg lassen sich als
Befunde ableiten, dass Unternehmen
eine höhere Agilität als wünschenswert
erachten und erste Schritte zur Transfor-
mation angehen. Dabei wird der Unter-
nehmens- und Führungskultur in Sinne
einer kooperativen, wertschätzenden
und vertrauensvollen Zusammenarbeit
eine große Bedeutung zugemessen.
Methodik: Repräsentativ und mit
Vergleich zu Anfang 2016
Die hier vorgestellten Ergebnisse ba-
sieren auf einer Telefonbefragung, die
TNS Infratest im April und Mai 2017 im
Agilität kommt langsam voran
STUDIE.
Wissen und Kenntnis über agile Methoden sind nach wie vor gering. Wo
Unternehmen vorankommen und wo nicht, zeigt die Studie Agilitätsbarometer 2017.
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Ein Dossier mit weiteren Beiträgen rund
ums Thema „Agilität” finden Sie in der
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