PERSONALquarterly 2/2019 - page 8

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 02/19
tung Interventionen zur gezielten Steigerung der Berufswahl­
bereitschaft entwickelt und evaluiert. Erste Resultate zeigen,
dass durch relativ kurze Interventionen in der Form von eintä-
gigen Workshops zentrale Elemente der Berufswahlbereitschaft
gesteigert werden können.
Ein anderes Projekt befasst sich mit den Auswirkungen und
Förderungsmöglichkeiten von selbstgesteuertem Laufbahn-
management. Hier interessiert uns, welche persönlichen und
kontextuellen Faktoren Personen dazu veranlassen, mehr oder
weniger aktiv in der Gestaltung der eigenen Laufbahn zu sein.
Dabei zeigen unsere Resultate unter anderem, dass Optimis-
mus gegenüber der Zukunft ein wichtiger Faktor ist, welcher
Personen zu mehr selbstgesteuertem Laufbahnmanagement
bringt. Zudem planen wir onlineunterstützte Interventionen
zur gezielten Steigerung von Laufbahnmanagement-Kompe-
tenzen. Wir möchten durch kurze Inputs, in denen Personen
bspw. über ihre beruflichen Ziele reflektieren, die Aktivität in
der Laufbahngestaltung erhöhen.
Ein weiteres Beispiel ist ein Projekt im Rahmen eines nati-
onalen Forschungsnetzwerks zum Thema Alter in der Gesell-
schaft, bei dem wir die Interaktion von Beruf und Privatleben
im Hinblick auf die Arbeitsmotivation und Laufbahnentwick-
lung von älteren Arbeitnehmenden untersuchen. Hier zeigen
erste Befunde, dass Interventionen sowohl auf organisationaler
Ebene (z. B. Einführung der Möglichkeit von Teilzeitarbeit) als
auch auf individueller Ebene (z. B. besseres Zeitmanagement),
wahrgenommene Konflikte zwischen Beruf und Privatleben
signifikant vermindern können.
PERSONALquarterly:
Bevor Sie in diesen und anderen Projekten
karriererelevantes Wissen generiert haben, waren Sie als Lauf-
bahnberater in der Schweiz tätig. Hat Ihnen Ihr Wissen bzw.
Ihre Erfahrung aus der Tätigkeit als Laufbahnberater in Ihrer
eigenen Laufbahn geholfen? Was waren für Sie persönlich die
Faktoren des Erfolgs?
Andreas Hirschi:
Mir hat sehr geholfen, dass ich nach ein paar
Jahren als Laufbahnberater, im Alter von ungefähr 30 Jahren,
selbst eine umfassende persönliche Standortbestimmung vor-
genommen habe, bei der ich meine Interessen, Fähigkeiten
und beruflichen Ziele definiert habe. Das war für mich eine
wichtige Weichenstellung für meine darauf folgende akade-
mische Karriere.
Persönlich habe ich sehr viele Konzepte aus der Laufbahn-
forschung umgesetzt: eine Laufbahn einschlagen, welche auf
einer klaren Analyse der eigenen Interessen, Fähigkeiten und
Werten basiert, proaktiv seine Laufbahn selbst gestalten und
dafür Verantwortung übernehmen oder Gelegenheiten zur Kar-
riereentwicklung erschaffen, erkennen und gezielt nutzen. So
habe ich die Karriere in der Wissenschaft sehr bewusst einge-
schlagen, nachdem ich mir klargemacht habe, dass die selbst-
bestimmte Art zu arbeiten mir einerseits sehr zusagt und auf
der anderen Seite viele meiner persönlichen Stärken sehr gut
zum Tragen kommen. Zudem habe ich aktiv Gelegenheiten
kreiert, indem ich mich international vernetzt habe und sich
mir bietende Gelegenheiten für offene Stellen gezielt genutzt
habe, auch wenn diese nicht meinem ursprünglichen Zeit- und
Karriereplan entsprochen haben.
PERSONALquarterly:
Wenn man aktuelle Studienergebnisse
berücksichtigt, was würden Sie anderen Menschen für eine
erfolgreiche Karriere empfehlen? Und gibt es Besonderheiten,
die man bei innerorganisationalen Karrieren berücksichtigen
sollte?
Andreas Hirschi:
In unserer Forschung haben wir die zentralen
und wissenschaftlich gut etablierten Faktoren für eine erfolg-
reiche berufliche Entwicklung auf eine überschaubare Anzahl
von Faktoren reduziert: Nach unserem Modell spielen drei Ar-
ten von Ressourcen eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche
Karriere:
1.
persönliches Wissen und Kompetenzen, welche man für
bestimmte Berufe (Fachwissen) aber auch allgemein im
Arbeitsleben (transversale Kompetenzen) benötigt,
2. die eigene Motivation für die Karriere, womit die eige-
nen Ziele und Zutrauen in das eigene Handeln gemeint
ist, und
3. förderliche Umwelteinflüsse, welche in Form von Un-
terstützung durch das Unternehmen oder das private
Umfeld bestehen können.
Diese Ressourcen können Personen gezielt fördern, indem
sie durch verschiedene Verhaltensweisen, wie Netzwerken
oder kontinuierliches Lernen, proaktiv ihre Laufbahn gestal-
ten. Bei innerorganisationalen Karrieren sind die verfüg-
baren Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Organisation
relevant, also z. B. ob es berufliche Aufstiegsmöglichkeiten
im Unternehmen gibt. Ebenso spielt die Unterstützung zur
persönlichen Laufbahn durch Vorgesetzte und Mentoren eine
wichtige Rolle.
PERSONALquarterly:
Es scheint so zu sein, dass man schon viel
relevantes Wissen in Bezug auf unterschiedliche Aspekte der
Karriereentwicklung generieren konnte. Wie sieht aber Ihrer
Meinung nach die Zukunft der Karriereforschung aus? Werden
sich die Themen oder die Methodik fundamental ändern oder
werden wir punktuelle Veränderungen erleben? Welche könnten
dies sein?
Andreas Hirschi:
Ich gehe nicht davon aus, dass sich Themen oder
Methodik fundamental ändern, sondern dass aktuell promi-
nente Themen und Methoden weiterentwickelt und verfeinert
werden. Ich gehe davon aus, dass Themen wie Arbeitsmarktfä-
higkeit, persönliche Sinnfindung im Beruf, Vereinbarkeit von
Beruf und Privatleben und Umgang mit Veränderungen in der
Karriere eine weiter zunehmende Bedeutung haben werden.
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