PERSONALquarterly 2/2017 - page 10

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PERSONALquarterly 02/17
SCHWERPUNKT
_VIRTUELLE KOOPERATION
U
nser Arbeitsleben wird durch rapide zunehmende
Digitalisierung stark verändert. Durch die Nutzung
elektronischer Kommunikationsmedien können
Mitglieder eines Teams heute gemeinsam an einem
Projekt arbeiten, während sie sich an unterschiedlichen Orten
in der Welt aufhalten (Gilson/Maynard/Young/Vartiainen/Ha-
konen, 2015). Virtuelle Teams werden laut Definition solche
Teams genannt, die zur Verfolgung eines gemeinsamen Ziels
vorwiegend auf die Nutzung elektronischer Medien angewie-
sen sind (Hertel/Geister/Konradt, 2005). Aktuell wird in der
Forschung diskutiert, welche Dimensionen für die Definition
von Teamvirtualität relevant sind, wie z.B. die Anzahl der Stand-
orte der einzelnen Teammitglieder, die Reichhaltigkeit der ge-
nutzten Kommunikationsmedien oder die kulturelle Diversität
der Teams (Kirkman/Mathieu, 2005). Da alle Definitionen das
Ausmaß der Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien
als zentral erachten, verwenden wir in der vorliegenden Studie
ebenfalls diese Kerndefinition.
Eine in der wissenschaftlichen und praxisbezogenen Litera-
tur häufig diskutierte Herausforderung virtueller Teamarbeit
ist die Bildung und Aufrechterhaltung von Teamvertrauen. Häu-
fig liest man z.B. in Managementratgebern, dass das persön-
liche Kennenlernen unabdingbar sei, um Vertrauen zwischen
Mitgliedern virtueller Teams aufzubauen. Dass Vertrauen mit
der Effektivität von Teams korreliert und dieser Effekt in virtu-
ellen Arbeitsgruppen tatsächlich noch stärker ist als in konven-
tionellen Teams, konnte in einer aktuellen meta-analytischen
Studie empirisch nachgewiesen werden (Breuer/Hüffmeier/
Hertel, 2016). In dieser Studie wurden Daten aus 54 Studien
und von 12.615 Personen und 1.850 Teams analysiert. Doch
braucht es zur Bildung von Vertrauen in virtuellen Teams und
zur Erreichung einer hohen Effektivität von virtuellen Teams
tatsächlich den persönlichen Kontakt?
In der vorliegenden Studie haben wir untersucht, wie Team-
vertrauen in virtuellen Teams gebildet und aufrechterhalten
werden kann. Ziel der Studie war es, anhand quantitativer
Daten zu überprüfen, ob sich theoretisch postulierte Einfluss-
faktoren auf das Teamvertrauen, nämlich die persönliche
Vertrauensneigung der Teammitglieder, die wahrgenommene
Kompetenz, das wahrgenommene Wohlwollen, die wahrge-
Vertrauen per Mausklick: Wie Vertrauen
in virtuellen Teams entstehen kann
Von
Christina Breuer
(Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
, Prof. Dr. Joachim Hüffmeier
(Technische Universität Dortmund)
und
Prof. Dr. Guido Hertel
(Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
nommene Integrität und die wahrgenommene Transparenz im
Team (Breuer/Hüffmeier/Hertel, 2014; Mayer/Davis/Schoor-
man, 1995) empirisch bestätigen lassen. Zudem wurde über-
prüft, ob im Vergleich zu konventionellen Teams in virtuellen
Teams andere oder zusätzliche Faktoren einen Einfluss auf das
Teamvertrauen haben.
Wie entsteht Vertrauen in Teams?
In dieser Studie wird Teamvertrauen definiert als: „… the sha-
red willingness of the team members to be vulnerable to the
actions of the other team members based on the shared expec-
tation that the other team members will perform particular ac-
tions that are important to the team, irrespective of the ability
to monitor or control the other team members. [… die geteilte
Bereitschaft aller Teammitglieder, sich hinsichtlich der für das
Team wichtigen Handlungen der Teamkollegen verletzbar zu
zeigen, ohne dabei das Verhalten der Teammitglieder kontrol-
lieren zu können.]“ (Breuer et al., 2016, S. 2). Vertrauen ist also
eine Verhaltensabsicht, die wiederum direkt die Handlungen
der Teammitglieder beeinflussen kann.
Mayer und Kollegen (1995) haben in einer sehr einfluss-
reichen Arbeit ein theoretisches Modell des organisationalen
Vertrauens formuliert, welches die Entstehungsfaktoren und
Konsequenzen von Vertrauen konkretisiert. Die Autoren postu-
lieren, dass das Vertrauen zwischen zwei Personen von zwei
Hauptfaktoren abhängt: zum einen von der relativ zeitstabilen
Vertrauensneigung einer jeden Person (als Persönlichkeits­
eigenschaft), die bestimmt, wie sehr Personen generell an-
deren Menschen vertrauen. Diese ist unabhängig von der
Vertrauensbeziehung zu einer konkreten Person. Zum anderen
entscheidet die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit eines
spezifischen Gegenübers darüber, ob eine Person diesem Ge-
genüber vertraut oder nicht. Diese wahrgenommene Vertrau-
enswürdigkeit eines Gegenübers wird durch drei Subfaktoren
bestimmt: durch die wahrgenommene Kompetenz, durch das
wahrgenommene Wohlwollen und durch die wahrgenommene
Integrität des Gegenübers (vgl. Abb. 1). Schätzt eine Person ei-
nen oder mehrere dieser Faktoren als niedrig ein, dann werden
keine Vertrauensabsicht und kein Vertrauensverhalten erfol-
gen. In zahlreichen Studien konnte dieses Vertrauensmodell
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