PERSONALquarterly 2/2017 - page 6

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 02/17
PERSONALquarterly:
Leben, Arbeiten und Kommunizieren wird
durch Informations- und Kommunikationstechnologien geprägt.
Die Arbeit mit digitalen Werkzeugen und Medien erfasst alle
Branchen. Digitale Tools bieten kostengünstige, einfache und
schnelle Kommunikation und lösen die Bindung an einen festen
Arbeitsplatz. Virtuelle Kooperationen erlauben Organisationen
die Zusammensetzung von Teams nach fachlichen Qualifi-
kationen statt nach räumlicher Verfügbarkeit, die Arbeit an
Lösungen rund um die Uhr über Zeitzonen hinweg, die Nutzung
niedrigerer Lohnkosten in anderen Teilen der Welt. Regional
verfügbares Spezial- und Expertenwissen kann eingesetzt
werden, um lokale Märkte zu erschließen und zu bedienen. Die
damit verbundenen Versprechen sind Prozessbeschleunigung,
Kostenreduktion, effektive Wissensnutzung, Kundenzufrieden-
heit und Wettbewerbsfähigkeit. In der Praxis werden viele der
oben genannten Ziele oft nicht erreicht: Zeitvorgaben werden
nicht eingehalten, Ergebnisse verfehlen die Qualitätsstandards,
Kooperationen werden abgebrochen. Woran liegt dies?
Margarete Boos:
Sie nennen hier eine Reihe von Vorteilen, die
sich durch die Digitalisierung und Globalisierung der Arbeits-
welt und die damit einhergehende Ausweitung räumlich ver-
teilter Kooperation ergeben können. Allerdings wird verteilte
Kooperation in vielen Unternehmen kaum gezielt gesteuert.
Führungskräften und Mitgliedern verteilter Teams wird die
Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen häufig selbst überlas-
sen, anstatt sie bewusst personalpolitisch und arbeitsorgani-
satorisch zu gestalten. Wir haben durch unsere Seminare zu
Führung und Kooperation in verteilten Teams die Erfahrung
gemacht, dass es sich vor allem für die Führungskräfte lohnt,
sich ganz bewusst mit den Potenzialen und nicht nur mit den
Problemen virtueller Teams auseinanderzusetzen. Viele (zu-
künftige) Mitglieder und Führungskräfte solcher Teams ha-
ben sich entweder (noch) gar keine Meinung zur virtuellen
Zusammenarbeit gebildet oder haben ein eher negatives Bild.
Sie stellen räumlich verteilte Teams klassischen – face to
face miteinander arbeitenden – Teams gegenüber und neh-
men daher verstärkt die Defizite wahr. Letzteres ist vor allem
bei Führungskräften der Fall, die virtuelle Zusammenarbeit
mit Kontrollverlust, mangelndem persönlichem Kontakt und
schwierigem Vertrauensaufbau verbinden. Wenn das Thema
Wie virtuelle Zusammenarbeit gestaltet und
verbessert werden kann
Das Interview mit
Prof. Dr. Margarete Boos
führte
Prof. Dr. Simone Kauffeld
schon negativ behaftet ist, sinkt oft auch die Motivation, sich
engagiert damit auseinanderzusetzen. Gelingt es jedoch, die
von Ihnen genannten Vorteile möglichst konkret zu benennen,
so bereitet dies den Boden für die aktive Gestaltung verteilter
Zusammenarbeit, um die Potenziale auch zu realisieren.
Unternehmen, die die Vorteile verteilter Zusammenarbeit
besser ausschöpfen, zeichnen sich durch drei Merkmale aus:
Der Führungskreis unterstützt die neuen Arbeitsformen
und dokumentiert dies dadurch, dass er (1) einen expliziten
Rahmen für die Führung und Zusammenarbeit in verteilten
Teams schafft, zum Beispiel, indem er auf der Grundlage eines
Lebenszyklusmodells von Teams geeignete Unterstützungs-
maßnahmen plant und finanziert. (2) Es werden explizite Er-
wartungen an die Führungskräfte formuliert, z.B. hinsichtlich
ihrer Medienkompetenz, und es werden (3) funktionierende
Kommunikationswerkzeuge bereitgestellt.
PERSONALquarterly:
Die Zusammenarbeit innerhalb einzelner und
zwischen mehreren Unternehmen über Landesgrenzen oder
Kontinente hinweg stellt besondere Anforderungen an die Orga-
nisation der Arbeit und die Zusammenarbeit im Team. Dies gilt
vor allem dann, wenn diese hauptsächlich über Informations-
und Kommunikationstechnologien miteinander kommunizieren.
Worauf ist bei virtuellen Kooperationen zu achten? Welche
typischen Probleme treten immer wieder auf?
Margarete Boos:
Als Reaktion auf die fortschreitende Internationa-
lisierung der Wirtschaft strukturieren sich immer mehr Unter-
nehmen als Netzwerke. Wirtschaftsbeziehungen werden somit
komplexer. Nicht nur im Unternehmen selbst müssen Prozesse
koordiniert werden, sondern auch mit Kunden, Lieferanten und
Partnerunternehmen. Einer Befragung von Rump et al. (2010)
zufolge werden gemischte Teams (Kunden, Lieferanten, Part-
ner) bereits in 59 Prozent der befragten 451 Unternehmen ein-
gesetzt. Netzwerkorganisation bedeutet also, dass Teams nicht
mehr herkömmliche Grenzen besitzen und nur aus Mitarbeiten-
den eines Unternehmens bestehen. Führungskräfte leiten weni-
ger abgeschlossene Teams oder Abteilungen, sondern handeln
gemeinsammit Mitarbeitenden in Arbeitszusammenhängen, in
denen sie oft keine Weisungsbefugnis besitzen, aber ein Projekt
leiten sollen. Mit dem dadurch steigenden Koordinationsbedarf
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