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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 02/17
sen explizit gemacht und auf ihre Einhaltung geachtet werden,
um Konflikte zu vermeiden. Die Führungskraft muss darauf
aufpassen, dass Teammitglieder, die ihr geografisch näher
sind, nicht bei der Bereitstellung von Informationen bevorzugt
werden (etwa durch bereits mündliche Informationsweiterga-
be während der Mittagspause), da sich die anderen Teammit-
glieder sonst benachteiligt fühlen.
PERSONALquarterly:
Die virtuelle Zusammenarbeit baut auf
Möglichkeiten der elektronischen Informations- und Kommunika-
tionstechnologien auf. Derzeit findet eine Diversifikation der Kom-
munikationsmedien statt. Neben bisherigen Technologien, wie
Telefon oder E-Mail, setzen Unternehmen zunehmend Enterprise
Social Networks und Kurznachrichtendienste ein. Welche Kommu-
nikationsmedien sind zu welchem Zweck besonders geeignet?
Margarete Boos:
Mit der Verbreitung der medienvermittelten
Kommunikation wuchs auch das Interesse der Forschung an
der Frage, ob jedes Medium für jede Aufgabe gleich gut geeig-
net ist. Das Task-Media-Fit-Modell (McGrath & Hollingshead,
1994) unterscheidet textbasierte (z.B. E-Mail), auditive (z.B.
Telefon), audiovisuelle (z.B. Videokonferenz) und Face-to-Face-
Kommunikation. Auf der Seite der Gruppenaufgaben gibt es
die Ideengenerierung, die Problemlöseaufgabe, die Entschei-
dungsaufgabe und die Verhandlungsaufgabe, die mit einem
steigenden Informationsbedarf verbunden sind. Laut Modell
sollte eine Ideenfindung im Team nicht im Face-to-Face-Setting
durchgeführt werden, sondern auf Basis textbasierter Kom-
munikation (z.B. Brainwriting), denn andernfalls kann es zu
Produktionsblockierung, Motivationsverlusten oder Bewer-
tungsangst kommen, die das freie Äußern von Ideen erschwe-
ren. Die Verhandlungsaufgabe, bei der verschiedene Positionen
in Einklang gebracht werden müssen, ist hingegen idealerwei-
se mittels Face-to-Face-Kommunikation zu lösen, denn dort
kann z.B. durch Gestik und Mimik besser eingeschätzt werden,
wie die Verhandelnden zu bestimmten Äußerungen stehen und
ob sich ein Kompromiss anbahnt.
PERSONALquarterly:
Ist die Idee der Passung zwischen Aufgabe
und Medium damit gescheitert?
Margarete Boos:
Nein, denn wir konnten zeigen, dass in der Kom-
munikation Stimuli, die auf einem Kanal nicht transportiert
werden können, dann auf einem anderen gesendet werden
(vgl. Riethmüller & Boos, 2011). Z.B. kann Zweifel, der sonst
mimisch (Stirnrunzeln) vermittelt wird, explizit über den ver-
balen Kanal ausgedrückt werden („Das bezweifle ich“). Teams,
die also erfolgreich textbasiert zusammenarbeiten wollen,
müssen auf interpersonaler Ebene bspw. mehr Lob, Humor
und Rücksichtnahme explizit verbal kommunizieren. Solches
Kommunikationsverhalten kompensiert dann eine eigentlich
niedrige Passung zwischen Aufgabe und Medium. Unser Me-
dienkompensationsmodell kann erklären, warum es für den
Task-Media-Fit eine gemischte Befundlage gibt. Es ist denkbar,
dass Teams auf Basis textbasierter Kommunikation auch in
Verhandlungsaufgaben erfolgreich waren, weil sie die aufga-
benrelevanten kommunikativen Stimuli auf den zur Verfügung
stehenden Kanal transportierten und somit die medialen Ein-
schränkungen ausglichen.
PERSONALquarterly:
Bei traditionellen Teams haben wir viele
verschiedene Teamentwicklungsmaßnahmen erarbeitet. Von
Team-Start-ups, über Ansätze zum Teamcoaching bis hin zur
Konfliktmediation. Wie kann bei virtuellen Teams hilfreich
interveniert werden?
Margarete Boos:
Ich möchte einige teamphasenbezogene Inter-
ventionsstrategien zur Optimierung der Arbeit speziell in vir-
tuellen Teams skizzieren.
Für ein verteiltes Team erhöht es die Chancen, effektiv zu
arbeiten, wenn es eine bewusste Phase der Vorbereitung gibt.
Dies bedeutet zunächst, dass das Team mit einem ausrei-
chenden Vorlauf und anhand aufgabenbezogener Kriterien zu-
sammengestellt wird. Besonders geeignet, ein solches Team zu
leiten, ist natürlich eine Person, die die wesentlichen Voraus-
setzungen für die Entstehung von Motivation und Vertrauen in
einem verteilten Team kennt und entsprechende Rahmenbe-
dingungen schaffen kann, z.B. transparente und für die Orga-
nisation und die einzelnen Teammitglieder bedeutsame Ziele
zu vereinbaren und mit hoher Medienkompetenz zu kommuni-
zieren. Sie sollte auch um die Vorteile und Risiken von Diver-
sität im Team wissen und die Gruppendynamik, z.B. durch die
Förderung expliziter Kommunikation, vorteilhaft beeinflussen.
In der Startphase ist es wichtig, dass die Teamziele kommu-
niziert werden. Man weiß aus herkömmlichen Teams, dass die
explizite Setzung oder besser noch Vereinbarung von Grup-
penzielen, die klare Festlegung von Verantwortlichkeiten und
einiger Grundregeln des Zusammenarbeitens wegweisend für
das Gelingen der Kooperation sind. Speziell in räumlich verteil-
ten Teams ist es spätestens in der Startphase der Teamarbeit
wichtig, für die Bereitstellung funktionierender Technik zu
sorgen sowie die Teammitglieder in der Nutzung derjenigen
Medien zu schulen, die ihnen bisher nicht geläufig waren, mit
denen sie aber nun arbeiten werden.
In der Literatur und in Erfahrungsberichten aus der Praxis
herrscht Einigkeit, dass die Arbeit eines verteilten Teams mit
einer Präsenzveranstaltung beginnen sollte. Wenn ein Treffen
face to face nicht realisierbar ist, sollte ein möglichst informa-
tionshaltiges Medium für das Startmeeting gewählt werden,
z.B. eine Videokonferenz. In einem solchen Kick-off lernen sich
die Mitglieder persönlich kennen. Es können Ziele, Strategien,
Regeln, Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten besprochen und
vereinbart werden.
In der Arbeitsphase eines Teams halten wir es für erforder-
lich, dass das Team regelmäßig über seine Arbeitsweise und die