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PERSONALquarterly 02/16
NEUE FORSCHUNG
_COMMITMENT
D
as Geschäftsmodell zahlreicher industrieller Dienst-
leistungsunternehmen sieht vor, dass deren Mitar-
beiter dauerhaft wissensintensive Dienstleistungen
bei Kundenunternehmen erbringen. Die Kunden
dieser Unternehmen sind mithin Industrieunternehmen und
die Mitarbeiter erbringen teambasiert ihre Arbeitsleistung
längerfristig „vor Ort“ beim Kunden, ohne jedoch organisato-
risch fest in die Kundenorganisation eingegliedert zu sein. Das
Leistungsspektrum umfasst hierbei bspw. wissensintensive
Dienstleistungen auf der Basis von Werk- oder Dienstverträ-
gen in den Bereichen Produktentwicklung (z.B. Konstruktion,
Versuch und Erprobung), Informationstechnologie, Produktion,
Qualitätsmanagement, Logistik, Projektmanagement bis hin zu
fremdsprachlichen Übersetzungen. Die im Normalarbeitsver-
hältnis unterstellte Normalität der Identität von Arbeits- und
Beschäftigungsverhältnis ist hierbei für die Mitarbeiter des in-
dustriellen Dienstleisters nicht gegeben, weshalb es sich um
eine Form atypischer Beschäftigung handelt.
Dieses Geschäftsmodell bringt besondere Herausforderungen
für das Personalmanagement mit sich. Da die Marktleistung
in Form wissensintensiver Dienstleistungen erbracht wird und
sowohl das Wissen als auch die Leistungserbringung an die Mit-
arbeiter gebunden sind, stellt das Personal zweifellos die wich-
tigste und erfolgskritischste Ressource dieser Unternehmen dar
(Kaiser u.a., 2015). Da die Mitarbeiter längerfristig nur für einen
Kunden arbeiten und dauerhaft beim Kunden eingesetzt sind,
besteht jedoch die Gefahr, dass sie sich mit dem Kundenunter-
nehmen stärker verbunden fühlen als mit dem eigenen Arbeit-
geber. Zudem sind durch den längerfristigen Einsatz vor Ort die
Interaktionsbeziehungen mit Mitarbeitern der Kundenorgani-
sation in der Regel intensiver als die Kontakte mit dem eigenen
Arbeitgeber und der Kunde prägt die berufliche Identität der
Mitarbeiter mindestens ebenso wie die organisationale Zugehö-
rigkeit zum Arbeitgeber. Die Mitarbeiter sind mithin Rollenkon-
flikten ausgesetzt und sowohl das Kundenunternehmen wie der
Arbeitgeber bilden Foki des mitarbeiterseitigen Commitments.
„Those professionals are, however, committed not only to the or-
ganization that employs them but also to the teams in which they
work and the clients for whom they work“ (Swart u.a., 2014, S.
269). Das Forschungsprojekt ELOTIS (Enhancing Leadership of
Duales Commitment –
Mitarbeiter zwischen Arbeitgeber und Kunde
Von
Nathalie Ascher, Prof. Dr. Stefan Huf, Prof. Dr. Marc Kuhn
(Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart),
Ulrike Baral
und
Aileen Wieser
(beo Gesellschaft für Sprachen & Technologie mbH, Stuttgart)
Outsourced Teams in Industrial Service Environments), welches
kooperativ durch das Zentrum für Empirische Forschung an der
DHBW Stuttgart und der beo Gesellschaft für Sprachen & Tech-
nologie mbH als industriellem Dienstleister durchgeführt wird,
geht daher der Frage nach, welche personalwirtschaftlichen
Instrumente für industrielle Dienstleistungsunternehmen, die
ihre Leistungserbringung mit ausgelagerten Teams auf Werk-
oder Dienstvertragsbasis in mehrjähriger Partnerschaft direkt
bei industriellen Kunden erbringen, geeignet sind, um das Com-
mitment der Mitarbeiter zu ihrem Arbeitgeber zu erhöhen.
Herausforderungen des Personalmanagements industrieller
Dienstleister
Dass Mitarbeiter vor Ort beim Kunden eingesetzt sind und
Dienstleistungen erbringen, ist zweifellos kein Alleinstellungs-
merkmal industrieller Dienstleister, sondern ebenso bspw. bei
Wartungs- und Servicetechnikern, Reinigungs- und Sicherheits-
personal oder auch bei Unternehmensberatern und Wirtschafts-
prüfern eher die Regel als die Ausnahme. Letztere werden auch
als „professional service firms“ bezeichnet (Kaiser u.a, 2015;
Swart u.a., 2014). Die Spezifika der industriellen Dienstleister
(vgl. Abb. 1) bestehen jedoch demgegenüber erstens darin, dass
die Mitarbeiter kundenspezifisch beschafft werden, um die wis-
sensintensiven Dienstleistungen beimKunden erbringen zu kön-
nen. Zweitens arbeiten die Mitarbeiter längerfristig, nicht selten
über mehrere Jahre, für nur einen Kunden. Und drittens fließen
die erbrachten Dienstleistungen direkt in den Wertschöpfungs-
prozess der Leistungserstellung des industriellen Kunden ein
(bspw. Ingenieurdienstleistungen in der Produktentwicklung).
Zugleich sind die Mitarbeiter als Personen nicht organisatorisch
in das Kundenunternehmen eingegliedert und die Führungskräf-
te des Kundenunternehmens sind bspw. nicht weisungsbefugt,
weshalb einige Industrieunternehmen auch von „Fremdarbeits-
kräften“ sprechen.
Diese drei Spezifika bringen zugleich besondere Heraus-
forderungen für das Personalmanagement industrieller
Dienstleister mit sich (vgl. Abb. 1). Hinsichtlich der Personal-
beschaffung besteht eine besondere Schwierigkeit darin, dass
Mitarbeiter rekrutiert werden müssen, die nicht nur den kun-
denspezifischen Aufgaben („Person-Job-Fit“) gerecht werden,