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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
DATENMANAGEMENT
weiteres Beispiel parat. „Da interessiert
mich: Was sind die heutigen Märkte und
wo kommen neue Märkte auf? Um diese
Fragen zu beantworten, arbeitet dieses
Segment beispielsweise mit Telekommu-
nikationsprovidern. Bewegungsdaten
von Handykunden werden – natürlich
anonym – ausgewertet. Wenn ich weiß,
an welchem Punkt die meisten Menschen
vorbeilaufen, kann ich die attraktivsten
Lagen für eine Laden-Immobilie identi-
fizieren.“ Aber nicht nur die räumliche
Nähe veranlasst einen Kunden zum Be-
such eines Stores, Gravitationsanalysen
helfen bei der Standortplanung. Diese
Analysen bilden die wahrscheinlichen
Kundenströme unter Berücksichtigung
der Wettbewerbssituation ab. „Ziehe ich
noch Web Crawler und demographische
Informationen beispielsweise zu den Be-
schäftigungsverhältnissen hinzu, sind
der intelligenten Datengewinnung keine
Grenzen mehr gesetzt“, so Ranftl weiter.
Eine fortdauernde
und große Unsicherheit
bei Big Data ist die
Sicherstellung des
Datenschutzes
Auf der anderen Seite ist die Speiche-
rung und Übermittlung der gesammelten
Daten ein kritischer Punkt – gerade vor
dem Hintergrund, dass die Immobilien-
branche mit personenbezogenen Daten,
wie beispielsweise Namen, Kontodaten,
Telefonnummern und E-Mail-Adressen
von Mietern oder Interessenten, han-
tiert. Diese Daten müssen revisionssicher
abgelegt und vor einem Zugriff Dritter
geschützt werden. Das galt auch schon
vor der neuen Datenschutz-Grundver-
ordnung (EU-DSGVO), die am 25. Mai
in Kraft getreten ist. „Die größte Gefahr
bei Big Data liegt in der Gewährleistung
des Datenschutzes“, betont Dr. Eva Luig
vom ZIA. „Man darf nicht wahllos Daten
erheben und sich erst dann überlegen:
Wie gehe ich damit um? Daten müssen
in einem Kontext erhoben werden, in
dem sie sinnvoll sind, man sollte sie nur
systemrelevant speichern, und Daten von
Kunden dürfen gemäß der Gesetze nur für
bestimmte Bereiche und in Abstimmung
freigegeben werden.“
Viele verschiedene
Akteure des Marktes
wollen Zugriff auf die
Gebäudedaten haben –
einschließlich derer
ihrer Nutzer
Mit fortschreitender Vernetzung –
etwa durch Smart-Home-Technologie
unterstützt von „Internet of Things“-An-
wendungen oder Sensorik sowohl in der
Anlagentechnik als auch der Mietfläche
– werden immer mehr Daten über die Ge-
bäude, deren Nutzung und deren Nutzer
erzeugt. Und den Zugriff auf diese Daten
werden die verschiedensten Akteure am
Markt haben wollen. Zu diesem Ergebnis
kommt die Deloitte Consulting GmbH
in ihrer neuesten Studie „Daten sind das
neue Gold. Immobiliendienstleistungen
2030“. Aus ihrer Sicht werden klassische
Immobilienunternehmen Konkurrenz
aus dem Technologiesektor bekommen.
Etwa durch IBM, deren Sparte „IBM
Interactive Experience (iX)“ sich in den
letzten Jahren zu einer der weltweit füh-
renden Digital-Agenturen entwickelt hat.
Warum sollte also IBM die Wartung der
zugrunde liegenden Anlagen in Zukunft
noch den Immobiliendienstleistern oder
deren Subunternehmen überlassen, wenn
ein Eigeninteresse daran besteht, diese zur
Datengenerierung selber durchzuführen?
Und: Wird der Zugriff auf diese Daten
zum Zwecke der Verwertung in Zukunft
eine zweite Miete? „Diese Entwicklung
sehe ich sehr kritisch. Es passiert genau
das, was eigentlich nicht passieren sollte“,
erklärt abschließend Dr. Eva Luig.
«
Dr. Hans-Dieter Radecke, Tiefenbach
Experten
„Man kann in der Immobi-
lienbranche statt von Big
Data eher von Small Data
sprechen. Zwar gibt es –
je nach Branchenzweig
– große Datenmengen,
diese sind aber in der
Regel noch nicht vernetzt
oder strukturiert.“
Dr. Eva Luig,
Stellvertretende
Vorsitzende des ZIA-Ausschusses
„Small Data ist der pas-
sendere Begriff. Berichte
werden meist auf Basis
von Datenanalysen – Stich-
punkt Business Intelligence
– aus ERP-Datenbanken in
Excel aufbereitet und als
PDF verarbeitet.“
Richard Ranftl,
Manager Consul-
ting bei der KPMG AG Wirtschafts-
prüfungsgesellschaft