Immobilienwirtschaft 6/2018 - page 64

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
ENERGIEVERSORGUNG & IMMOBILIENWIRTSCHAFT
me“) Der völlige Stillstand von Staudinger
in den Sommermonaten 2018 wird den
Anteil der SWH-Eigenerzeugung, je nach
tatsächlichemWärmebedarf, auf deutlich
über 40 Prozent steigen lassen. Somit wäre
auch die Eignung der Fernwärme als Er-
satzmaßnahme im Sinne des EEWärmeG
gefährdet. Ohne einen Anteil oder gar das
Mitverschulden der SWH würden sich in
der Folge die Kosten bei Neubau oder
grundlegender Modernisierung von Ge-
bäuden deutlich erhöhen.
Investoren, Bauherren und
Bestandshalter verlieren
Kalkulationssicherheit
Die Auswirkungen auf Bauvoranfra-
gen, Bauanträge und eventuell die Gewäh-
rung von Fördermitteln der öffentlichen
Hand wurden bisher in Verbindung mit
demKohleausstieg nicht ausreichend the-
matisiert. Die Tatsache, dass sich der Pef
in Hanau zunächst von 0,52 für das Jahr
2017 – grob abgeschätzt – auf etwa 0,72
verschlechtern könnte und fraglich ist, ob
sich künftig die Mindestanforderungen
aus dem EEWärmeG sicher erfüllen las-
sen, zeigt, dass die Unternehmenspresse-
mitteilung von Uniper sachlich unzutref-
fend ist. Die derzeit übliche Methode zur
Ermittlung von Primärenergiefaktoren
auf Basis des Regelwerks AGFW FW 309
zeigte sich bereits in der Vergangenheit
in Teilen als fragwürdig. Auch hier zeigt
sich der vorliegende Sachverhalt als be-
merkenswert.
Die E.ON New Build and Technolo-
gy GmbH hat für das damalige E.ON-
Kraftwerk Staudinger ein Primärenergie-
faktorzertifikat für das Fernwärmenetz in
Hanau mit einem Pef von 0,52 ausgestellt.
Gerechnet von der Pressemitteilung im
Oktober 2017 hatte diese Bescheinigung
nach Aussage von E.ON selbst eine Gül-
tigkeit bis zum Jahresende 2021 – mithin
noch über mehr als vier Jahre. Doch nun
wird hier ein Kraftwerksblock mit Voran-
kündigung stillgelegt und somit das eigene
Pef-Zertifikat in Frage gestellt. Investoren,
Bauherren und Bestandshalter haben je-
doch bereits auf dieser Grundlage von
ihren Fachplanern mögliche Varianten
vergleichen und Kosten berechnen las-
sen. In der Konsequenz einer kundenori-
entierten Kommunikation sahen sich die
SWH veranlasst, das von E.ON erstellte
Pef-Zertifikat von der Internetseite zu ent-
fernen. Für das Jahr 2017 wurde jetzt ein
Pef von etwa 0,72 grob geschätzt. Dieser
allein von Uniper zulasten der SWH und
ihrer Kunden ausgelöste Sachzusammen-
hang bleibt nicht ohne Auswirkung auf
die energetischen Anforderungen an Ge-
bäude in Hanau und erfordert auf Seiten
der SWH erhebliche Investitionen in die
eigenen Wärmeerzeugungsanlagen.
Diese Beobachtungen zeigen, dass der
ordnungsrechtliche Rahmen kurzfristig
und sachgerecht an die Praxis der Ener-
gie- und Wärmewende anzupassen ist.
Zunächst sollte geprüft werden, ob nicht
auch die Frage einer sicheren Wärmever-
sorgung aus KWK bei der Entscheidung
über die Systemrelevanz von Großkraft-
werken durch die BNetzA künftig an-
gemessen berücksichtigt werden sollte.
Bisher beachtet die BNetzA auftragsge-
mäß und gesetzeskonform lediglich die
stromwirtschaftliche Komponente des
Vorgangs. In Betracht käme eine aus-
drückliche Zuständigkeit der BNetzA für
Fragen der leitungsgebundenen Wärme-
versorgung – zumindest, wenn diese mit
der Stromerzeugung verknüpft ist.
«
Werner Dorß, Frankfurt/M.
Werner Dorß
ist Rechtsanwalt
in Frankfurt/M.
Schwerpunkte:
Energiewirtschafts-
recht, Energiekar-
tell- und Infrastruk-
turrecht
AUTOR
Experten
„Im Zusammenhang mit
dem geplanten Kohleaus-
stieg bedarf es verläss-
licher Planungsgrundlagen
und Festlegungen, etwa
zum Bestandsschutz von
Pef-Zertifikaten, die bisher
allgemein anerkannt
wurden.“
Gerd Barleben,
geschäfts-
führender Gesellschafter
Ingenieurgruppe B.A.C.
„Dem Pef fehlt es an de-
mokratischer Legitimation.
Daher sollte er zukünftig
unter Beteiligung aller
relevanten Verkehrskreise
festgelegt werden, etwa
per Rechtsverordnung.“
Thies Grothe,
Abteilungsleiter
Grundsatzfragen der Immobilien-
politik, ZIA e.V.
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